Endlich beginnen die Tabus zu bröckeln. Immer öfter
nimmt Michael Spindelegger das in den eigenen Reihen so verpönte
S-Wort in den Mund. Erst liebäugelte der Vizekanzler mit einem
„Solidarbeitrag“, nun mit dem Schließen von „Lücken“: Die ÖVP
freundet sich, so scheint es, mit Steuererhöhungen an.
Kanzler Werner Faymann ließ sich naturgemäß nicht lange bitten. Er
machte einen Vorschlag, der haargenau in Spindeleggers
Anforderungsprofil – „wer mehr hat, muss mehr geben“ – passt: Die
vorgeschlagene Steuer auf Wertgewinne bei Immobilienverkäufen trifft,
zumal Eigenheime ausgeklammert werden sollen, sicher nicht die
Ärmsten im Land. Riesiger Besitz liegt in wenigen Händen, das oberste
Zehntel hält 60 Prozent des Immobilienvermögens – und genießt
trotzdem einen schleichenden Steuerrabatt: Mangels Anpassung wird die
Grundsteuer anhand von Uraltwerten weit unter den realen Marktpreisen
berechnet.
Was überdies für höhere Abgaben auf Immobilienvermögen spricht: Sie
dämpfen das angeschlagene Wirtschaftswachstum kaum und laden nicht
zur Steuerflucht ein. Zinshäuser können schwer nach Bratislava
übersiedeln.
Sozial ausgewogen ließe sich auch ein mögliches Gegengeschäft
gestalten: Bewegung im Streit um die Studiengebühren hat Faymann
angedeutet – und kratzt damit ebenfalls an einem eigenen Dogma. Stets
hat die SPÖ den freien Hochschulzugang beschworen, doch die erhoffte
soziale Durchmischung nicht erreicht. De facto gilt immer noch die
Regel: Je reicher die Eltern, desto größer die Chancen des
Nachwuchses auf Studium und hohes Einkommen.
Von der Abschaffung der Studiengebühren haben deshalb viele angehende
Akademiker profitiert, die sich – etwa via Kreditmodell mit späterer
Rückzahlung – einen Beitrag leisten könnten, um bessere
Studienbedingungen und großzügigere Stipendien für die wirklich
Bedürftigen zu finanzieren. Natürlich wäre Gratisbildung für alle das
Ideal. Aber in Zeiten leerer Kassen ist es fragwürdig, dass gerade
gutsituierten Studierenden Gebühren erspart bleiben, während etwa für
den Kindergartenbesuch je nach Bundesland immer noch empfindliche
Kosten anfallen.
Faymann und Spindelegger, die viel gescholtenen „Besitzstandswahrer“,
als Tabubrecher? Davon kann noch keine Rede sein, vorerst wagten die
beiden nur Andeutungen. Doch im Vergleich zum in der
Koalitionsdebatte üblichen Einbunkern ist das bereits ein
Fortschritt.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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