LVZ: EKM-Bischöfin Ilse Junkermann: Wittenberger Luther-Zwerge sind „gewollter Störfaktor“

Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche
Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, hat die umstrittenen
Installation der Lutherzwerge in Wittenberg verteidigt. „Luther
gehört in den Alltag, daran sollen und werden die Figuren erinnern.
Sie können ein Stachel sein, wenn wir die reformatorischen Ideen von
vor 500 Jahren auf die Realität heute prallen lassen. Ich werde einen
blauen, roten oder grünen Plaste-Luther immer als Störfaktor
verstehen – aber genau das ist gewollt“, sagte Junkermann der
„Leipziger Volkszeitung“ (Sonnabend-Ausgabe). Zuletzt war verstärkt
Kritik an der Installation des Nürnberger Künstlers Ottmar Hörl laut
geworden. So hatte der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer
das Kunstwerk auf dem Wittenberger Marktplatz als „theologischer und
ästhetischer Schindluder“ bezeichnet und den geplanten Verkauf der
800 Figuren als Ablasshandel mit Plastefiguren“ abgelehnt.

Junkermann wies die Kritik zurück, es sei nicht im Sinne Luthers,
ihn vom Sockel zu holen und als Plastikfigur auf den Markt zu
stellen. „Im Gegenteil, Luther hätte sich heftig dagegen verwahrt,
auf einen Sockel gestellt zu werden. Deshalb finde ich es gut und
ganz im Sinne Martin Luthers, dass er vom Sockel geholt wird.“ Hörl
sei eine Skulptur des Diskurses gelungen. „Und das tut auch dem
eigenen theologischen Nachdenken gut.“ Die EKM-Bischöfin erhofft sich
von der Wittenberger Kunstaktion einen zusätzlichen Werbeeffekt für
die Reformationsdekade. „Wenn die 800 Luther-Botschafter im September
auf Reise in andere Städte, aber auch in andere Wohnungen gehen,
werden sie die Botschaft der Reformation mitnehmen.“

Einen theologischer Anspruch sei mit dem Kunstwerk allerdings
nicht verbunden. „Kunst ist keine Theologie. Ich empfinde es als
Bereicherung, wenn ein Künstler sich heute mit Theologie
auseinandersetzt. Jede Kunst führt in Auseinandersetzung und
Diskussion, erst das macht aus Kunst mehr als Dekoration. Gelingt das
nicht, kann aus Kunst schnell Kitsch werden.“ Hörl sei es dagegen
gelungen, mit seinen Luther-Figuren bei den Menschen ganz
verschiedene Assoziationen zu wecken. „Diese Figuren haben die Größe
eines Kindes. Luther hat daran erinnert, wir sind alle Kinder Gottes.
Oft überhöhen wir uns heute, wir muten und trauen uns
Übermenschliches zu, etwa die Beherrschung der Atomkraft. Wir sollten
hin und wieder in die Knie gehen, uns als Menschen etwas
zurücknehmen, um mit Luther auf Augenhöhe zu kommen. So können wir
ihn besser verstehen“, regte Junkermann an.

Aufgabe der Reformationsdekade bis 2017 sei es auch, „Luther und
die reformatorischen Ansätze nicht in der Geschichte und den Museen
zurückzulassen, sondern herauszuholen auf die Marktplätze, vor allem
die Marktplätze des Denkens und Handelns.“ Dies sei dem Nürnberger
Hörl hervorragend gelungen. Kunst müsse zwar dabei nicht unbedingt
provozieren, aber sie dürfe es. „Sie darf Grenzen überschreiten, um
uns zu helfen, unsere Grenzen zu überschreiten, vor allem die des
Denkens und der Bequemlichkeit, aber auch Grenzen der Ignoranz und
der Intoleranz“, so Junkermann abschließend.

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558

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