Rheinische Post: Ein Kapitän fährt volles Risiko Von Matthias Beermann

Ein rechter Kapitän, das weiß jeder, geht als
Letzter von Bord seines sinkenden Schiffes. An diese Vorschrift aus
dem Ehrenkodex der Seeleute hat sich der italienische Kommandant der
im Mittelmeer gesunkenen „Costa Concordia“ offenbar nicht gehalten –
wie im übrigen auch an so einige andere Regeln nicht. Francesco
Schettino ficht das bisher nicht an; über seinen Anwalt ließ er
mitteilen, er fühle sich keineswegs schuldig am Untergang des
Kreuzfahrtschiffs. Damit steht der Kapitän ziemlich allein da. Denn
immerhin steht fest, dass er seinen 112 000-Tonnen-Luxusliner mit
voller Absicht riskant nahe an die Küste heran manövriert hatte.
Möglicherweise, damit ein Mitglied der Besatzung seine dort lebende
Familie beeindrucken konnte. Mussten Menschen sterben, weil ein
geltungsbedürftiger Seebär ein bisschen protzen wollte? Eine
schreckliche Vorstellung. Die Schuldfrage wird von der Justiz zu
klären sein. Kaum vorstellbar, dass Kapitän Schettino dabei
ungeschoren davon kommt. Aber auch seine Reederei muss sich
kritischen Fragen gefallen lassen. Denn sie hat diesem Mann das Leben
von mehr als 4000 Menschen anvertraut. Und sie ist im Zweifelsfall
auch verantwortlich für die chaotischen Zustände an Bord, von der
viele Schiffbrüchige berichtet haben. Aus der Katastrophe müssen die
richtigen Lehren gezogen werden – das sind wir den Opfern schuldig.

Pressekontakt:
Rheinische Post
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