In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk u.a. über eine Politik ohne Zukunftsvisionen, den Wunsch der Menschen nach Sicherheit, die Stunde der Populisten und über die Frage, warum der Osten seiner Meinung nach Trendsetter bei politischen Entwicklungen ist.
„Wir leben in einer Zeit dauernder Erregungsspiralen“, sagt der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. „Alle reden schlecht über unser Land. Was ist denn das für ein Land? Wir leben in einem der freiesten, stabilsten, sichersten, ökonomisch stärksten Länder der Welt. Und ich kann immer nur sagen: Macht doch mal die Fenster auf, lasst mal die stickige Luft aus euren verrauchten Höhlen und schaut mal raus, wie die Welt wirklich aussieht.“ Man solle sich auch mal zu den positiven Seiten des Landes bekennen und sagen „Liebe Leute, wir leben hier wirklich nicht in einer Quasi-Diktatur, gewissermaßen am Abgrund.“
Als „dramatisch“ bezeichnet es Kowalczuk, dass wir keine „Zukunftsvisionen“ mehr hätten. „Wir haben auch gar keinen Zukunftsbegriff mehr. Früher waren Politik und Parteien dafür da, Zukunft zu gestalten. Heute sind die Parteien so damit befasst, die unübersichtliche Gegenwart irgendwie zu verwalten, dass da gar kein Platz und kein Raum mehr bleibt für größere Visionen.“ Große Teile der gesamten westlichen Welt seien stark verunsichert, so Kowalczuk weiter. Und in Zeiten von Verunsicherung, würden sich die meisten Menschen nach einem sicheren Ort sehnen: „Was ist der sicherste Ort, den die Menschen haben? Das ist die Vergangenheit. Das ist nämlich der einzige Ort, an dem wir uns wirklich auskennen.“ Das sei die Stunde „der Populisten, der Extremisten, der Faschisten, der Kommunisten“. Denn: „Viele Menschen lieben nun mal einfache Antworten auf hochkomplexe Fragen.“
Insgesamt sieht Kowalczuk die westliche Welt an der Schwelle zu einer autoritären Wende und den Osten Deutschlands lediglich als eine Art „Trendsetter“ derartiger Entwicklungen: „Das sieht man ja auch, egal, wo man hinschaut. Es gibt keinen Grund, egal, wo man in Deutschland lebt, irgendwie mit dem Finger auf den Osten zu zeigen. Der Osten ist in aller Regel nur etwas schneller, etwas radikaler und etwas früher mit den Entwicklungen dran, als das, was dann im Westen passiert.“
Zu seinem Selbstverständnis erklärt Kowalczuk: „Ich war nie ein Historiker, der im Elfenbeinturm sitzt und sagt, was kümmert mich das, was meine historischen Analysen gewissermaßen anrichten, sondern ich versuche eben auch, gesellschaftspolitische Debatten anzustoßen, mitzuführen. Das mache ich seit 35 Jahren an ganz unterschiedlichen Punkten.“
Er stelle nur seine Thesen zur Diskussion, so Kowalczuk: „Ich sage auch nicht, dass ich die Wahrheit habe“, doch könne er eben anders sprechen, als Politikerinnen und Politiker, die gewählt werden wollten.
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