Neues Datenleck belastet Luxemburg – fragwürdige Steuerabsprachen von Disney, Skype und weiteren Firmen

Der Druck auf Luxemburg wächst: Ein Whistleblower
hat Journalisten neue Dokumente zugespielt, mit denen sich Konzerne
Steuer-Ersparnisse in Millionenhöhe zusichern ließen. Die Liste der
Firmen, die sich in Luxemburg nachweislich lukrative Steuerabsprachen
beschafft haben, wird damit länger. Die neuen Dokumente betreffen
Weltkonzerne wie Disney und Skype und zeigen jetzt ergänzend zur
Veröffentlichung der so genannten „LuxLeaks“ Anfang November, dass
fast alle großen Beraterfirmen mit der Luxemburger Verwaltung
zusammengearbeitet haben: Nun tauchen neben Pricewaterhouse-Coopers
auch Deloitte, Ernst & Young sowie KPMG in den Daten auf.

Die bislang unveröffentlichten Dokumente sind dem Internationalen
Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) im vergangenen Monat
zugespielt worden. Insgesamt umfasst der Datensatz, den in
Deutschland Journalisten von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
ausgewertet haben, rund 50 so genannter „Advance Tax Agreements“ für
35 Firmen. Mit diesen Absprachen haben sich die Konzerne zum Teil
extrem niedrige Steuerraten von weniger als einem Prozent auf die
nach Luxemburg verlagerten Gewinne zusichern lassen.

Betroffen sind etwa der Internet-Telefondienst Skype, der
Unterhaltungskonzern Disney und der Hygieneartikelhersteller Reckitt
Benckiser (RB), an dem die Familie Reimann beteiligt ist, eine der
reichsten deutschen Industriellen-Familien. Skype bekam seit dem Jahr
2005 einen Steuerrabatt von bis zu 95 Prozent auf Lizenzeinnahmen.
Disney hat im Großherzogtum eine konzerninterne Bank gegründet, die
ihre Gewinne mit weniger als einem Prozent versteuerte. Der Konzern
RB, zu dem Marken wie Calgon und Clearasil gehören, lässt über
Luxemburg Milliardenkredite laufen. Die erwähnten Konzerne und die
Steuerberaterfirmen Deloitte, Ernst & Young und KPMG teilten mit,
sich an die geltenden Gesetze zu halten. Nachfragen zu einzelnen
Fällen beantworteten die Prüfungsgesellschaften nicht.

Auch private Beteiligungsgesellschaften, die Firmen kaufen und
verkaufen und als Heuschrecken bezeichnet werden, nutzen systematisch
Steuervorteile im Großherzogtum für ihre Milliardengeschäfte. Die
Praxis der Firmen verstößt nicht gegen Luxemburger Gesetze. Die
Finanzbehörden des Großherzogtums legalisieren die Steuermodelle, die
vor allem die vier großen Steuerberaterfirmen mit ihnen aushandeln.
Die Luxemburger Regierung betont auf Anfrage, dass die großen
Prüfungsgesellschaften keine Sonderbehandlungen bekämen. Für jede
Firma würden die gleichen Gesetze gelten. Das Land wolle aber künftig
betroffene Länder verstärkt informieren, wenn ein Konzern ein
Steuersparmodell im Großherzogtum anmeldet.

Als einer der Architekten der Steueroase Luxemburg gilt der
langjährige Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, der seit Anfang
November Präsident der Europäischen Kommission ist. Er wollte sich
nicht zu den neuen Unterlagen äußern. Seine Sprecherin verwies auf
frühere Aussagen zu „LuxLeaks“. Dabei hatte Juncker den Vorwurf,
Luxemburg sei zu Lasten seiner europäischen Nachbarn reich geworden,
als „unfair und einfach nicht wahr“ bezeichnet. Nach den Berichten
über die Steuerabsprachen kündigte Juncker ein EU-Gesetz an. Demnach
sollen Staaten die anderen Mitgliedsländer automatisch informieren,
wenn sie einen Steuervorentscheid für einen Konzern genehmigen.

9. Dezember 2014/IB

Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
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Iris Bents
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