Bald zwanzig Jahre nach ihrem ersten Auftritt
auf der Weltbühne ist Gunther von Hagens Leichenschau kein Aufreger
mehr. Und das ist gut so. Der Rückzug des extrovertierten,
polarisierenden, öffentlich Leichen sezierenden Gunther von Hagens,
der die Demokratisierung der Anatomie forderte und dabei vor allem
deren Boulevardisierung vorantrieb, nimmt der Ausstellung viel vom
Nimbus des grotesken Grenzgängertums. Der war gut für die
Verkaufszahlen, konterkarierte aber immer wieder den
wissenschaftlichen Anspruch, den die Veranstalter – durchaus zu recht
– erheben. Der Ausstellungskatalog liest sich streckenweise wie ein
sehr anschauliches Biologiebuch. Wer will, kann viel lernen bei einem
Besuch der Körperwelten, und sei es nur das Staunen vor dem Wunder
des menschlichen Körpers. Dennoch: Es bleibt Unbehagen angesichts der
hier perfektionierten Transformation des Menschen zum
(Ausstellungs-)Stück, das willkürlich in jeder Position präsentiert
werden kann, ob als Schachspieler oder beim Geschlechtsakt. Ein
Schaudern, das weniger mit Grusel vor den Toten, als vielmehr mit
Verwunderung über die Lebenden zu tun hat.
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Mittelbayerische Zeitung
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