Mehr pädophile Kleriker in katholischer Kirche als bisher angenommen / Sendung: Montag, 16. März, 23.30 Uhr, Das Erste

Die katholische Kirche in Deutschland hat offenbar
mehr pädophil geneigte Männer in ihren Reihen als bislang angenommen.
Zu dieser Einschätzung kommen namhafte Sexualforscher wie der
Berliner Sexualpsychologe Dr. Christoph J. Ahlers und Prof. Klaus M.
Beier von der Berliner Charité. Ahlers äußert sich am Montag, 16.
März, um 23.30 Uhr im Ersten in der NDR Dokumentation „Das Schweigen
der Männer – Die katholische Kirche und der Kindesmissbrauch“.

In Studien über sexuelle Übergriffe durch katholische Geistliche,
die die katholische Kirche in Auftrag gegeben hat, gehen
Wissenschaftler davon aus, dass „nur“ fünf bis zehn Prozent der Täter
tatsächlich auf Kinder bzw. vorpubertäre Jugendliche fixiert seien.
Der Hauptteil seien sogenannte Ersatzhandlungstäter, die sich aus
Mangel an Kontakten zu Gleichaltrigen an Kindern vergehen. Das
allerdings bezweifelt u. a. der renommierte Sexualpsychologe Dr.
Christoph J. Ahlers: „Dafür haben wir keine Anhaltspunkte. Im
Gegenteil: Psychologisch betrachtet müssen wir davon ausgehen, dass
es in der katholischen Kirche überzufällig viele Personen mit
problematischer Sexualpräferenz gibt.“ Als Grund nennt Ahlers das
„Sexualitätsverbot“ der katholischen Kirche, das eine Anziehungskraft
ausübe auf Pädophile, die sich mit einer Kirchenkarriere vor lästigen
Fragen schützen wollten.

Prof. Beier, Dr. Ahlers und der Kieler Sexualmediziner Prof.
Hartmut Bosinski bemängeln, dass insbesondere der Besitz und Konsum
von Kinderpornographie durch Geistliche von Wissenschaftlern im
Dienste der Kirche bislang eher bagatellisiert und nicht als
Warnsignal verstanden werde. Gerade der Konsum von
kinderpornographischem Material weise auf eine sehr wahrscheinliche
pädophile Neigung hin, sagen übereinstimmend mehrere Sexualforscher.

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hält es denn auch für
dringend erforderlich, sofort zu reagieren, wenn sich ein Geistlicher
kinderpornografisches Material verschaffe. Bode sieht durchaus das
Risiko, dass Männer den Priester-Beruf ergreifen, weil sie ein
problematisches Verhältnis zur eigenen Sexualität haben.

Mittlerweile lässt die katholische Kirche zahlreiche Mitarbeiter
in der Missbrauchsprävention schulen. Dennoch ergeben die Recherchen
für die NDR Dokumentation auch, dass die katholischen Bischöfe auf
ein Hilfsangebot für pädophile Kleriker, die noch nicht zu Tätern
geworden sind, bislang nicht eingegangen sind.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz,
Bischof Stephan Ackermann, bestätigt zwar Gespräche mit dem Leiter
des renommierten Berliner Projekts „Kein Täter werden“. Aber Bischof
Ackermann sagt auch: „In der Bischofskonferenz ist das Projekt bisher
offiziell kein Thema gewesen.“ Dabei könnte eine Zusammenarbeit mit
dem Berliner Projekt „Kein Täter werden“ eine bedeutende, zusätzliche
Präventionsmaßnahme sein. Pädophile Geistliche, die sich selbst
überlassen werden, stellen ein Risiko für Kinder und Jugendliche dar,
die von ihren Eltern in die Obhut der katholischen Kirche gegeben
werden.

Die katholische Kirche in Deutschland lässt seit einem Jahr von
Wissenschaftlern das Ausmaß des sexuellen Kindesmissbrauchs in ihren
Reihen untersuchen. Ergebnisse sollen ab 2017 vorliegen. Die NDR
Dokumentation „Das Schweigen der Männer – Die katholische Kirche und
der Kindesmissbrauch“ (Autoren: Sebastian Bellwinkel und Birgit
Wärnke, Redaktion: Anja Würzberg) setzt sich mit dieser Aufarbeitung
auseinander.

Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Ralf Pleßmann
Tel.: 040/4156-2333

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