In Deutschland werden einer Schätzung der
Bundestierärztekammer zufolge jährlich bis zu 180.000 trächtige Kühe
in Schlachthöfen geschlachtet. Dabei sterben auch die Kälber im
Mutterleib. Nach Recherchen des NDR Politikmagazins „Panorama 3“
gehen Experten davon aus, dass diese Kälber einen qualvollen Tod
sterben. Denn nur das Muttertier wird durch einen Bolzenschuss
betäubt. Auf das ungeborene Kalb hat der Bolzenschuss keine Wirkung.
Es verendet einige Minuten später durch Sauerstoffmangel ohne
Betäubung.
Dieses Vorgehen ist ganz legal: Sowohl die deutsche
Tierschutzschlachtverordnung als auch die entsprechende EU-Verordnung
enthalten keinerlei Vorgaben zum Umgang mit tragenden Nutztieren.
Tierarzt Rupert Ebner hält das Ausmaß des Problems für dramatisch:
„Es ist einfach bestürzend, weil jeder von uns Tierärzten und
Fachleuten weiß, dass die Kuh betäubt wird und damit hoffentlich
schmerzfrei getötet werden kann, aber dass das nicht auf den Fötus
zutrifft. Der wird elendiglich ersticken, verrecken in einem lang
dauernden Prozess. Ein untragbarer Zustand.“
Der Grund dafür ist laut Kritikern meist ein wirtschaftlicher:
Sobald Kühe ihre Milchleistung nicht mehr erfüllen, werden sie
ausgemustert, auch wenn sie ein Kalb in sich tragen. Petra Wondrak,
Referentin für Nutztiere beim Deutschen Tierschutzbund: „Das Problem
liegt im System. Unsere Tierhalter sind natürlich nicht allesamt
kriminelle Tierquäler, die absichtlich ein tragendes Tier zum
Schlachten geben. Doch auf dem Markt sind das Einzeltier und auch das
Produkt Milch und Fleisch immer weniger wert.“
Die Bundestierärztekammer und der Deutsche Tierschutzbund fordern
unterdessen ein generelles Schlachtverbot für tragende Rinder, sofern
die Mutterkuh nicht so krank ist, dass eine Notschlachtung notwendig
sei. Sie schlagen eine verpflichtende Trächtigkeitsuntersuchung vor
jeder Schlachtung vor, die ausschließen soll, dass die Kuh ein Kalb
in sich trägt.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium räumte auf Nachfrage von
„Panorama 3“ ein, dass es „wissenschaftlich begründete Anhaltspunkte“
für ein Leiden der Tiere gebe, sieht seine Einflussmöglichkeiten aber
offenbar begrenzt. Die EU-Schlachtverordnung eröffne „keine
Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, nationale Regelungen in Bezug
auf die Schlachtung tragender Rinder in Schlachthöfen zu erlassen.“
Im vergangenen Dezember hat das Bundeslandwirtschaftsministerium
in einem Brief an die EU-Kommission gefordert, dass Tiere zumindest
während des letzten Drittels der Trächtigkeit nicht mehr
transportiert und geschlachtet werden. Die EU-Kommission möchte die
deutsche Delegation dazu nun zunächst im zuständigen Ausschuss
anhören. Eine Änderung der EU-Verordnung ist damit noch nicht
absehbar.
„Panorama 3“: Dienstag, 25. März, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen
Mehr zur Sendung finden Sie unter www.NDR.de/panorama3
25. März 2014/IB
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Iris Bents
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