Ehemalige „Regensburger Domspatzen“ erheben neue Vorwürfe

Neben sexuellem Missbrauch auch Essensentzug,
Demütigungen, Gewalt / ARD-Dokumentation heute (7.1.15 um 23.30 Uhr)
im Ersten Drei frühere Sänger der „Regensburger Domspatzen“ erheben
neue Vorwürfe gegenüber kirchlichen Mitarbeitern. In
Exklusiv-Interviews beschreiben die drei Männer für eine
ARD-Dokumentation wie ihnen von katholischen Geistlichen Nahrung und
Getränke entzogen und wie sie gedemütigt und geschlagen worden seien.
Die ARD zeigt diese Aussagen in ihrem Film „Sünden an den
Sängerknaben – Die Akte Regensburger Domspatzen“ am Mittwoch, den 7.
Januar um 23.30 Uhr im Ersten. Zudem bekräftigen die drei
Protagonisten des Films Anschuldigungen anderer ehemaliger
„Domspatzen“, die bereits früher Verantwortlichen des Chors sexuellen
Missbrauch von Sängerknaben vorgeworfen hatten. Gerichtsurteile
bestätigten solche Vorwürfe. Alle drei Interviewpartner beschreiben
für die ARD-Dokumentation, wie sie selbst Opfer von Gewalt und
sexuellen Übergriffen bei den „Domspatzen“ geworden seien.

Das Bistum Regensburg erklärte im November, es habe 30 Opfer
anerkannt, die durch Mitarbeiter der Kirche als Kinder sexuell
missbraucht worden seien. Wie viele dieser 30 Opfer den „Domspatzen“
angehörten, möchte das Bistum nicht mitteilen. Die Justiz habe 77
minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs im Zuständigkeitsbereich
des Bistums seit 1945 ermittelt. Im selben Zeitraum wurden im Bistum
Regensburg 13 Geistliche wegen sexuellem Missbrauch von Kindern
strafrechtlich verurteilt. Martin Linder, der Missbrauchsbeauftrage
des Bistums erklärte im ARD-Interview keinen „Systemfehler“ bei den
„Regensburger Domspatzen“ erkennen zu können.

Udo Kaiser, einer der drei Protagonisten im ARD-Film, bezeichnet
dagegen das Internat des Chors als „ein Gefängnis, nur mit Schlägen,
Tritten“. Der ehemalige „Domspatz“ Alexander Probst berichtet in der
Doku von systematischen Gewaltanwendungen durch Lehrer der
Sängerknaben: „Es gab natürlich noch viele andere Prügeleien, das
darf man nicht vergessen. Prügeleien beim Klavierunterricht,
Prügeleien durch Lehrer im ganz normalen Unterricht, Prügeleien
während des Mittagessens, wo man zum Beispiel nicht sprechen durfte.“
Georg Auer, der dritte Interviewpartner beschreibt drakonische
Strafen und Demütigungen für Bettnässer, darunter den Entzug von
Essen und Trinken: „Manchmal hatte ich so einen Durst, da habe ich
mich zur Toilette gestohlen und den Wasserhahn aufgedreht und habe
meinen Durst gestillt. Und ich bekam oftmals auch Essensentzug. Ja,
ich hatte ständig Hunger und Durst.“

Filmemacherin Mona Botros konfrontierte Geedo Paprotta, den
Rechtsanwalt des Bistums mit dem Vorwurf des Nahrungsentzugs. Darauf
antwortete der Jurist: „Letztlich ist auch das wieder eine Form von
Folterung der Kinder, die Sie schildern. Wenn Kinder davon betroffen
gewesen sind und wir jetzt öffentlich darüber sprechen, würde ich
genau das wieder verletzten, was ich eben gesagt habe, nämlich das
Recht der Betroffenen selbst darüber zu sprechen und dass ihre
Geschichte geheim gehalten wird.“ Auf die Schilderungen von Gewalt
und Demütigungen gegenüber Schutzbefohlenen entgegnete Paprotta
gegenüber der ARD: „Ich denke, das kann man bestätigen, das ist
übrigens vor dem Hintergrund der Zeit nichts völlig Unübliches
gewesen.“

Vier Jahre, nachdem Alexander Probst dem Bistum Regensburg
gemeldet hatte, dass er bei den „Regensburger Domspatzen“ sexuell
missbraucht wurde, bot ihm das Bistum Regensburg überraschend während
der Dreharbeiten eine einmalige Zahlung von 2.500 Euro „in
Anerkennung des Leids“ an. Die Anträge von Udo Kaiser und Georg Auer
lehnte die Kirche ab. Das Bistum Regensburg habe ihre Aussagen
„leider nicht nachvollziehen“ können. Eine „Leistung in Anerkennung
von erlittenem Leid“ erscheine, so das Bistum in seinem
Ablehnungsbescheid „auf diesem Hintergrund leider nicht
gerechtfertigt“.

Pressekontakt: Bruno Geiler, Tel.: 07221 929-23273,
bruno.geiler@swr.de

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