Die Herabstufung Österreichs durch die Ratingagentur
Standard & Poorx{2588}s ist weder eine nationale Katastrophe noch
ein Grund für einen radikalen Kurswechsel. Die Finanzmärkte haben
schon seit Wochen den österreichischen Staatspapieren die Top-Bonität
entzogen, indem sie höhere Renditen verlangten. Aber der Hauptgrund
dafür ist das wirtschaftliche Umfeld, in dem Österreich liegt: Ungarn
im Osten, Italien im Süden und rundherum die krisengeschüttelte
Eurozone. Daran kann keine Bundesregierung etwas ändern. Allerdings
steckt in der neuen Bewertung von S&P auch eine gehörige Kritik an
der heimischen Wirtschaftspolitik – und eine Orientierung für die
Zukunft. Da ist einerseits der Schuldenberg, den Österreich über
Jahrzehnte aufgebaut und auch in Zeiten der Hochkonjunktur nicht
ausreichend reduziert hat. Wäre die Republik mit einer
Staatsverschuldung von unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts,
wie es die EU-Verträge verlangen, in die Finanzkrise eingetreten,
dann wäre das Triple-A-Rating nie in Gefahr geraten. Aber der Ausweg
jetzt kann nicht nur darin bestehen, Ausgaben zu kürzen und Steuern
zu erhöhen. S&P warnt ganz konkret davor, wirtschaftliche Reformen
auf Sparpakete zu beschränken, weil dies das Wachstum schädigt und
die Budgetkrise noch verschärft. Zwar ist Österreichs Konjunktur
weniger von der inländischen Nachfrage als von der Stärke der
Exportmärkte abhängig. Aber da diese heuer sicher schwächeln werden,
hängt der Erfolg der Haushaltskonsolidierung auch davon ab, ob es
gelingt, die Binnennachfrage stabil zu halten. Das kann nicht dadurch
geschehen, dass der Staat – wie es manche nun fordern – weniger
spart, sondern dadurch, dass er klüger spart;_also dort, wo es das
Wachstum nicht beeinträchtigt, sondern möglichst fördert. Das spricht
etwa für Vermögenssteuern, die fest gebundenes Kapital belasten _ –
vor allem eine Erhöhung der Grundsteuer. Hier muss man darauf hoffen,
dass die ÖVP ihren Widerstand aufgibt. Noch wichtiger aber wäre, dass
die SPÖ_bei den Frühpensionen von der Bremse steigt und einer raschen
Anhebung des effektiven Antrittsalters zustimmt. Produktive
Arbeitnehmer mit unter 60 in den Ruhestand zu schicken kostet nicht
nur Geld, sondern auch viel Wachstum. Dabei dürfen die
Invalidenpensionen nicht ausgespart werden: Medizinische
Berufsunfähigkeit bedeutet nicht immer, dass gar keine Tätigkeit mehr
möglich ist. Im Steuersystem ließen sich durch eine drastische
Vereinfachung große Wachstumspotenziale heben. Die Konzepte dafür,
etwa die „Bierdeckelsteuer“, liegen seit Jahren auf dem Tisch. Auch
in der Gesundheitspolitik und bei den in Österreich besonders
beliebten Förderungen sind große Einsparungen möglich, die weder das
BIP_noch den Arbeitsmarkt belasten. Ob es SPÖ und ÖVP in den
kommenden Wochen gelingt, zumindest einen Teil all jener
Reformvorschläge umzusetzen, die Experten des Rechnungshofs, des
Wirtschaftsforschungsinstituts und anderer Thinktanks Jahr für Jahr
vorlegen, ist höchst fraglich. Im Verhandlungsgerangel zwischen den
Koalitionspartnern dürfte wieder einmal nur ein platter Kompromiss
herauskommen, bei dem bei Ausgaben stur subtrahiert und bei den
Einnahmen hinzuaddiert wird. Zur kurzfristigen Beruhigung der
Finanzmärkte wird das wohl reichen, für die Wiedererlangung des
AAA-Ratings sicher nicht.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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