Das liest man doch mal gern! In Houston, Texas, ist
wieder mal so ein Schweinskerl erwischt worden, der sich an Bildern
von Kindern in sexuellem Kontext aufgegeilt hat. Google sei Dank! Die
freundliche Suchmaschine hat routinemäßig die Mails seines Dienstes
Gmail durchwühlt und in einer Mail eines 41-jährigen Kochs ein Bild
entdeckt, das ein auffallend ähnliches Muster hatte wie ein in einer
Datenbank hinterlegtes Kinderporno-Bild. Der Koch ist einschlägig
vorbestraft, die Polizei hat bei ihm noch weitere Bilder von Kindern
gefunden, das dürfte für eine Verurteilung reichen.
Moralisch ist diese Verurteilung des mutmaßlichen
Sexualstraftäters ohnehin schon erfolgt. Kindesmissbrauch gilt als
besonders verabscheuungswürdiges Verbrechen – und seit einigen Jahren
hat man sich international darauf verständigt, nicht nur die
eigentliche Missbrauchshandlung, sondern auch den Besitz von Fotos
und Videos, die den Missbrauch zum Vergnügen Perverser dokumentieren,
unter Strafe zu stellen.
Rechtspolitisch ist das bedenklich: Delikte, die allein im Besitz
gewisser Gegenstände bestehen, wurden typischerweise nur in äußerst
repressiven Systemen verfolgt. Diktatoren mögen es nicht, wenn jemand
Radios hat, mit denen man Feindsender hören kann. Zensoren haben ihre
Freude daran, wenn Besitzer von aufrührerischen Schriften hinter
Schloss und Riegel landen. Auf Waffen und Kopiergeräte, in jüngerer
Zeit auch auf offene Internetzugänge, halten solche Regime ihre
repressive Faust – und stellen den Besitz sicherheitshalber unter
Strafe.
Für die im gesunden Rechtsempfinden geächteten Kinderpornos macht
man aber auch in liberalen Rechtsstaaten gern eine Ausnahme von der
reinen Lehre. Da kann sich die Politik einer breiten Zustimmung zu
Zensurmaßnahmen sicher sein – und Internetanbieter kooperieren ohne
erkennbare Bedenken mit den Behörden, denen sie jene Kunden
ausliefern, die im Verdacht des Besitzes oder gar der Verbreitung von
Kinderpornos stehen. Die entsprechenden Suchalgorithmen wenden die
hauseigenen Schnüffler vorbeugend an. Es ist ja Zensur für einen
guten Zweck.
Aber Zensur bleibt es dennoch, die Verletzung des
Briefgeheimnisses, das E-Mail-Nutzer (fälschlicherweise) auch bei der
elektronischen Post voraussetzen, bleibt.
Dabei ist die beifällig abgenickte Kontrolle der Datenströme auf
Kinderpornos aber nur eine der möglichen Anwendungen der
Internet-Schnüffelei. Klarerweise kann man verdächtige Formulierungen
viel leichter als verdächtige Fotos aus großen_Datenmengen
herausfiltern.
Geheimdienste tun das längst. Und versichern, dass das ja auch nur
zu unserem Besten wäre: Sind nicht geplante Terroranschläge
mindestens so übel wie Kinderpornos? Und gilt das nicht sinngemäß
auch für islamistische Unterwanderung? Wollen wir uns nicht auch
gegen Nazi-Netzwerke in den dunkelbraunen Winkeln des Internets
schützen? Oder gegen kommunistische Umtriebe in den dunkelroten? Und
wo zieht man die Linie?
Google & Co versichern, diese Linie längst gezogen zu haben, sie
suchten angeblich ausschließlich nach Kinderpornos.
Aber die Tür zur totalen Überwachung steht sperrangelweit offen,
mit einer durch inszenierte Kinderporno-Jagd wohlorchestrierten
moralischen Zustimmung der ganz nebenbei mitüberwachten Mehrheit.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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