Mitt Romney hat die bisher schlechteste Woche seiner
Wahlkampagne hinter sich gebracht. Sie war garniert mit Vorwürfen,
dass er als Multimillionär weniger Steuern zahle als die
Durchschnittsamerikaner. In Iowa entzog ihm die dortige
republikanische Partei den so enthusiastisch gefeierten Vorwahlsieg.
Und nun erlitt er in South Carolina, wo er vor wenigen Tagen in
Umfragen noch weit voranlag, eine _demütigende Niederlage gegen Newt
Gingrich. Das Ergebnis ließ Analysten zu dramatischen Metaphern
greifen: „eine politische Nahtoderfahrung“.
Auch wenn man nicht so überschießend formulieren möchte, sicher ist:
Gingrich hat Romney sozusagen newtralisiert. Er hat seinen Zug zur
Nominierung unterbrochen, seinem in den US-Wahlkämpfen
vielbeschworenen Momentum die Luft ausgelassen, den Ex-Gouverneur und
Manager wieder auf einen Normalkandidaten-Status geschrumpft. Anders
gesagt: Er hat den Vorwahlkampf der Republikaner wieder spannend
gemacht.
Gingrich repräsentiert all das, was Romney nicht ist: Er ist zornig,
schlagfertig, witzig und nicht nur in der Lage, sondern auch willens,
wenn nötig gnadenlos mit Dreck auf andere zu werfen. Er hat
Leidenschaft. Er schimpft auf „Elite-Medien“ und seift sie
gleichzeitig ein. Und erstaunlicherweise schafft Gingrich es, obwohl
er im Gegensatz zu Romney sein halbes Leben in Washington verbracht
hat, seinen Gegner als den Kandidaten des Establishments aussehen zu
lassen und protestgestimmte Parteigenossen für sich einzunehmen.
In South Carolina hat Gingrich in _allen relevanten demografischen
Gruppen gegen Romney gewonnen. Auch bei den Frauen, Religiösen und
Fiskalkonservativen. Dass seine Ex-Frau Marianne wenige Tage vor der
Wahl ein Interview gab, in dem sie Gingrich als ehebrechenden
Lüstling darstellte, konnte ihm nichts anhaben. Genauso wenig blieb
an ihm hängen, dass er insgesamt 1,6 Millionen Dollar vom
US-Immobilienfinanzierer Freddie Mac als Honorar annahm, der in der
Subprime-Krise mit Milliarden und Abermilliarden Staatsgeld gerettet
werden musste. Viele Beobachter glauben deswegen, der
Brachialwahlkämpfer könne sich nur selbst, durch eine unbedachte
Äußerung, ein Bein bei den Primaries stellen.
Dennoch: Auch nach South Carolina, der Favorit für die Nominierung
zum Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party bleibt Mitt
Romney. Gingrich hat trotz einer Cash-Infusion durch den Milliardär
Sheldon Adelson deutlich weniger Mittel zur Verfügung als sein
schwerreicher Rivale. Dazu betreibt Romney einen viel größeren
Apparat, der auf längere Fristen ausgerichtet und bereits in
Bundesstaaten aktiv ist, die Gingrichs Leute noch wenig bis gar nicht
beackert haben. Daneben will Romneys Kampagne, so ließ sie am
Wochenende zumindest durchklingen, den Angriffen auf dessen
Steuermoral durch die Offenlegung von Dokumenten möglichst bald die
Spitze nehmen.
Florida, die nächste Station der Vorwahlen, ist als Bundesstaat
deutlich heterogener als South Carolina. Dort wird es nötig sein,
Unabhängige, Pensionisten und Hispanics als Wähler anzusprechen. Für
Romney wird es einfacher werden als in einem klassischen Südstaat.
Gingrich wird mit einer noch schmutzigeren Kampagne gegenhalten und
der Abstimmung eine Art Endspielcharakter geben: High Noon im
Sunshine State. Republikanische Langeweile, das war einmal.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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