DER STANDARD-Kommentar: „Wien will schon wieder anders sein“ von Andrea Heigl

So klingt es also, wenn Wiens Bürgermeister Michael
Häupl bei den Beamtenpensionen richtig durchgreift: „Es wird nicht
möglich sein, einfach irgendetwas zu erzählen, um in Frühpension
gehen zu können.“ Für die Titelseite der Kronen Zeitung hat das
gereicht; um das Ziel der Stadt zu erreichen, das Antrittsalter der
Rathaus-Frühpensionisten von derzeit 56 in Richtung 60 zu bringen,
muss man sich einiges mehr überlegen.
Nur zehn Prozent der Wiener Beamten sind das, was man sich
prototypisch unter solchen vorstellt, also Schreibtischarbeiter. Etwa
die Hälfte der rund 65.000 Magistratsbediensteten arbeitet beim
Krankenanstaltenverbund, dann gibt es tatsächlich auch die
Feuerwehrleute, Kanal- und Müllabfuhr-Arbeiter, die von Häupl stets
bemüht werden, um zu illustrieren, warum „seine“ Beamten nicht mit
jenen anderer Länder oder des Bundes vergleichbar sind.
Allerdings müsste es gerade in einem riesigen Apparat wie der Stadt
Möglichkeiten geben, auch für ältere Menschen geeignete Arbeitsfelder
zu schaffen. Die Frage, wie man Arbeitnehmer physisch und psychisch
dazu in der Lage hält, bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter
ihren Job auszuüben, ist nicht nur für den öffentlichen Dienst ein
Thema. Diskussionen über Arbeiten bis 72 muten angesichts des realen
Pensionsantrittsalters geradezu absurd an.
In Wien wurde eine eigene Magistratsabteilung für das Thema Vorsorge
geschaffen, an ihrem Erfolg wird man ablesen können, ob die Stadt
tatsächlich so ein schrecklicher Arbeitgeber ist, dass man es dort
nicht länger als bis Mitte 50 aushält. Übrigens war das
durchschnittliche Antrittsalter für die Frühpension für
Magistratsbeamte vor fünf Jahren noch 52 Jahre. Da scheint zumindest
etwas in Bewegung zu sein.
Beim Durchrechnungszeitraum für die Beamtenpensionen wird sich im
Rathaus definitiv nichts bewegen. Alle Bundesländer – außer Kärnten –
haben ihre Regelung an jene für die Bundesbeamten angepasst, _deren
Durchrechnungszeitraum bis 2028 erhöht wird. In Wien lässt man sich
dafür bis 2042 Zeit. Einfach so. Wogegen sie unter Schwarz-Blau
höchstselbst auf die Straße gegangen sei, das werde sie jetzt sicher
nicht einfach übernehmen, argumentiert Finanzstadträtin Renate
Brauner – auch wenn sich die Stadt laut Rechnungshof im Lauf der
Jahrzehnte 350 Millionen Euro sparen könnte. Eine nicht einzusehende
politische Entscheidung des roten Wiens, das um jeden Preis darauf
bedacht ist, seine Stammklientel bei Laune zu halten. Nicht umsonst
knüpft die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten ihre Zustimmung zu
einer Nulllohnrunde im Magistrat unter anderem daran, dass an den
Pensionen nicht gerüttelt wird.
Ein Bruchteil der Wiener kommt in den Genuss der großzügigen
Rathaus-Pensionsregelung, gleichzeitig dürfen alle deutlich mehr für
Wasser, Kanal und Müllabfuhr zahlen. Die Gebühren sind zweckgebunden,
man kann sie nicht eins zu eins mit den Beamtenpensionen
gegenrechnen; beim Blick auf den Kontoauszug wird das dem Wiener
Durchschnittswähler aber ziemlich wurscht sein.
Während die Stadtregierung also versucht die Beamten und ihre
Gewerkschaft mit angenehmen Pensionen zufriedenzustellen, verliert
sie jene Menschen aus dem Blick, die zähneknirschend akzeptieren
müssen, dass an ihnen gespart wird. Wie immer versucht Wien anders zu
sein. Diesmal könnte das nach hinten losgehen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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