Stellt euch vor es ist Ostern – und keiner geht hin.
62 Prozent der Deutschen planen laut einer aktuellen Umfrage keinen
Gottesdienstbesuch an den Feiertagen. Wie viele von den anderen 38
Prozent letztlich wirklich hingehen – oder doch lieber ausschlafen –
sei dahingestellt. Der höchste christliche Feiertag findet vielerorts
vor spärlich besetzten Kirchenbänken statt. Die Deutschen stehen
nicht allein mit ihrer Abkehr von der Kirche, die in vielen
westlichen Ländern längst den Status einer moralischen Institution
verloren hat. Freundliches Desinteresse ist oft noch das Höchste, was
die geistlichen Würdenträger mit ihren Enzykliken, Hirtenbriefen und
Predigten ernten. Gerade erst fand hierzulande die Forderung nach
einer Abschaffung des Karfreitags als stiller Feiertag viel Zuspruch.
Der Buß- und Bettag ist längst geopfert. Papst Benedikt XVI. klagte
zum Auftakt der Oster-Feierlichkeiten im Vatikan, gerade die Menschen
im Westen, dem Kernland des Christentums, seien der Religion
überdrüssig, und er fragt: Sind wir ein „Volk des Unglaubens“
geworden? Da schwingt so etwas wie Resignation mit. Selbst schuld,
mögen da viele dem Pontifex entgegenhalten. Gerade die Hüter des
Glaubens, speziell in den katholischen Reihen, trügen doch erheblich
zur Abkehr der Menschen von der Kirche bei. Die passenden Argumente,
zahllose Male vorgetragen, sind schnell zur Hand: die verknöcherte
Sexualmoral etwa, das sture Festhalten am Zölibat oder die
(angebliche) Weltfremdheit der Amtskirche. All dies ist nicht falsch.
Und so notwendig die Debatte um amtskirchliche Defizite ist – sie
verstellt doch gleichzeitig den Blick auf den eigentlichen Kern: die
Osterbotschaft. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, am Kreuz
gestorben und von den Toten auferstanden. „Fürchtet euch nicht!“
ermunterte der Engel jene, die angesichts des leeren Grabes Christi
am Ostermorgen vor Schreck erstarrten. Es gibt eine Überwindung des
Todes und all des Schrecklichen, das sich zuträgt. Der Tod ist nicht
das Ende. Gelingt es der Kirche, diese wahrhaft atemberaubende
Botschaft mit neuem Leben zu erfüllen und neugierig zu machen auf
Christus, wird ihre Anziehungskraft wieder zunehmen. Doch es reicht
nicht, mit dem Finger auf „die Kirche“ zu zeigen. Jeder einzelne hat
es für sich in der Hand, die frohe Botschaft neu zu entdecken.
Beispielsweise mit einem Besuch im Ostergottesdienst.
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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