Sperrfrist: 01.06.2015 07:00
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Der ehemalige Jugendamtsleiter der Stadt Gelsenkirchen Alfons
Wissmann hat offenbar finanziell von einer Reitfreizeit profitiert,
die die Stadt seit 1997 im ungarischen Orfü durchführt. Wie ein
Auszug aus dem ungarischen Handelsregister belegt, ist Wissmann
Mitbegründer der „Gonda und Partner Reithof GmbH“, die für
Gelsenkirchen bis heute Vertragspartner für die Unterkunft auf dem
Reithof in Orfü ist. Die Freizeiten mit jeweils rund 40
Gelsenkirchener Jugendlichen wurden ausgerechnet von Mitarbeitern des
Jugendamts organisiert, das Wissmann leitete. Die Reiterferien wurden
von der Stadt seit 1997 finanziell unterstützt. Allein in den letzten
acht Jahren sind dafür aus Gelsenkirchen mehr als 400.000 Euro
geflossen, also mehr als 50.000 Euro pro Jahr. Von einem Teil dieser
öffentlichen Gelder dürfte Wissmann bzw. seine Familie privat
profitiert haben.
Wissmann übertrug seinen Anteil an der Gonda GmbH 2004 an seinen
Sohn, der bis 2005 Gesellschafter blieb. Bis heute ist die Familie
des Jugendamtsleiters zudem Mitbesitzerin der Reiterhof-Immobilie in
Orfü. Das belegt ein Auszug aus dem ungarischen Immobilienregister.
Wissmann erwarb 1997 einen Eigentumsanteil von elf Prozent, den er
bis 2004 behielt. Dann wurde der Eigentumsanteil zunächst an seinen
Sohn, dann seine Frau und schließlich an einen weiteren Sohn
weitergereicht.
Auch der ehemalige stellvertretende Gelsenkirchener Jugendamtschef
Hans-Jürgen Meißner besitzt bis heute einen Teil des Reiterhofs.
Immer noch ist Meißner zudem Gesellschafter der Gonda GmbH, dem
Vertragspartner der Stadt für die Unterkunft. Diese GmbH hatte
Meißner 1996 wie Wissmann mitbegründet.
Wissmann und Meißner könnten darüber hinaus auch an einer weiteren
Ferienfreizeit verdient haben, die der Kinderschutzbund Gelsenkirchen
im Auftrag der Stadt ebenfalls auf dem Reiterhof in Orfü durchgeführt
hat, und zwar seit 1998. Alle Zahlungen der Stadt gingen direkt an
den Deutschen Kinderschutzbund. Hier saß bis vor kurzem der ehemalige
stellvertretende Jugendamtsleiter Thomas Frings im Vorstand.
Laut Auskunft der Stadt Gelsenkirchen war in der Verwaltung die
Beteiligung von Alfons Wissmann und Hans-Jürgen Meißner an der Gonda
GmbH und dem Reiterhof in Ungarn nicht bekannt. Jugendamtsleiter
Wissmann war – ebenso wie sein Stellvertreter Frings – auch in den
Skandal um die von ihnen gegründete ungarische Einrichtung für
deutsche Heimkinder in Pecs verwickelt, die in der Nähe des
Reiterhofs liegt. Der WDR hatte diesen Skandal aufgedeckt. Die Stadt
trennte sich daraufhin von Wissmann und Frings. Mit Wissmann wurde
mittlerweile ein Auflösungsvertrag geschlossen, Frings wurde fristlos
gekündigt.
Heimkind Paul wieder in Deutschland
Unterdessen ist das elfjährige Heimkind Paul, das mehr als ein
halbes Jahr auf Geheiß des Jugendamts Dorsten bei einem Handwerker
auf einem einsamen Hof in Ungarn leben musste, wieder in Deutschland.
Nach story-Recherchen ist sein Pflegevater nicht wie vom Jugendamt
angegeben 63 sondern mittlerweile 74 Jahre alt. Auch wurde er nicht
wie vom Jugendamt behauptet an der Vestischen Kinder- und
Jugendklinik Datteln für die Behandlung von Trauma- und
Bindungsstörungen ausgebildet. Eine solche Ausbildung bietet die
Klinik gar nicht an. Damit geraten sowohl die Stadt Dorsten als auch
der Bochumer Jugendhilfeträger Life, der Pauls Ungarn-Maßnahme
angeboten hat, weiter unter Druck. Paul lebt nun in Deutschland bei
Verwandten und kann wieder das Gymnasium besuchen. In Ungarn war er
lediglich vier Stunden in der Woche über eine Internetschule
unterrichtet worden.
Mehr zu den Recherchen der „story“ heute Abend um 22.00 Uhr im WDR
Fernsehen in der Doku „Mit Kindern Kasse machen – Auslandsmaßnahmen
außer Kontrolle“ sowie in der „Aktuellen Stunde“, 18.50-19.30 Uhr.
Autorinnen: Nicole Rosenkranz, Naima El Moussaoui
Redaktion: Ulrike Schweitzer, Martin Suckow
Pressekontakt:
WDR-Pressedesk
Telefon 0221 220 7100
wdrpressedesk@wdr.de
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