Kraft der Fantasie und Poesie

Fantastische Rätselwelten, die die Fantasie des Betrachters beflügeln, zugleich poetisch und geheimnisvoll-zauberhaft sind, empfangen die Besucher derzeit im Fritz-Ruoff-Saal der Kreissparkasse in Nürtingen. Der meisterhaft-absurde Bilderkosmos des 80-jährigen „Historienmalers“ Moritz Baumgartl erzählt Geschichten wie aus „1001 Nacht“. Nur sind dies keine Erzählungen aus dem Morgenland, sondern wunderbar-irreale Schachtelgeschichten aus vielen verschiedenen Realitätsebenen, heiter und leicht, und bevölkert von skurrilen Gestalten wie dem „Otradek“. An die rätselhafte, nicht wirklich greifbare Figur aus einem Prosatext von Franz Kafka ist der Titel der Ausstellung angelehnt. „Otradek und Freunde“ zeigt einen Querschnitt aus Baumgartls künstlerischem Schaffen zwischen 1964 und 2014.

Die Arbeiten haben Magnetwirkung. Das beweist die große Resonanz auf die Vernissage, bei der Moritz Baumgartl und seine Frau Hilla, die in Stuttgart und Paris leben, zu Gast waren. „Ein Erlebnis“, so Kreissparkassen-Regionalbereichsleiter Uwe Alt. Und ein großes „Familientreffen“: Zahlreiche Künstlerkollegen waren gekommen, ebenso viele Schüler aus Baumgartls Zeit an der Stuttgarter Kunstakademie, wo er 24 Jahre lang als einer der „wichtigsten Professoren“ seiner Zeit wirkte, wie Kurator Dr. Tobias Wall in seiner Einführungsrede erläuterte.

Der Werdegang des Künstlers, der als einer der wichtigsten gegenständlichen Maler Südwestdeutschlands gilt, ist so verschlungen, wie seine Stillleben, Gemälde und Zeichnungen. Heimlich schreibt sich der damals 21-Jährige an der Stuttgarter Kunstakademie ein, zum Entsetzen des Vaters, der Postbeamter ist. Unterstützung lehnt Moritz Baumgartl ab. Er verdient das Geld fürs vierjährige Studium mit insgesamt 97 Jobs vom Steinbrucharbeiter bis zum Inventarist einer Edelmetallfirma selbst. In den Kunstgeschichtsvorlesungen schläft er wegen Übermüdung ein. Seiner künstlerischen Arbeit schadet dies nicht. Der Erfolg seiner „delikaten Malerei“ stellt sich bald ein, erläuterte Wall. Im Jahr 1976 wird Baumgartl Akademieprofessor.

„Von Anfang an pflegt er einen seinerzeit völlig unzeitgemäßen gegenständlichen, altmeisterlichen Stil, jenseits der damaligen Kunsttrends der Abstraktion und des Informel“, urteilt der Kurator. Bis heute betreibt Baumgartl ein sonderbar-poetisches, künstlerisches Spiel mit Gegensätzlichkeiten, wobei Zitate aus der eigenen Biografie, der Literatur und der Kunstgeschichte einfließen. Den Surrealisten will er sich zuordnen lassen. Der Künstler wirft jedoch auch einen geplant-klaren Blick auf verschiedene mögliche Welten. Es liegt am Betrachter, sich einen vergnüglichen Reim darauf zu machen.

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