Das Thema:
Grausam, heimtückisch, habgierig – Wer ist Mörder, wer
Totschläger?“
Mordlust, Habgier oder niedrige Beweggründe, heimtückisch oder
grausam: Mit solchen durchaus vagen Kriterien unterscheidet das
Strafgesetzbuch Mörder von Totschlägern und in der Folge zwischen
lebenslanger Freiheits- oder einer Haftstrafe von 5 bis 15 Jahren. In
der Praxis aber ist der Unterschied für die Richter oft nicht genau
zu ziehen, glauben Kritiker und wollen den bisherigen Mordparagrafen
abschaffen. Welche Folgen hätte eine solche Reform? Wird damit
„Lebenslänglich“ als Strafe gestrichen? Kommen Mörder künftig zu
leicht davon?
Gäste
Heiko Maas (SPD, Bundesjustizminister)
Karl-Dieter Möller (Rechtsexperte)
Ernst-August und Matthias Wehrmann (Vater und Bruder eines
Tötungsopfers)
Dana Rudersdorf (Ehemann wollte sie ermorden)
Salome Saremi-Strogusch (Bruder wurde Opfer von Gewalttätern)
Prof. Dr. Helmut Kury (Kriminologe und Gerichtsgutachter)
Heiko Maas, SPD
„Was ist der Unterschied zwischen Mord und Totschlag? Die
allermeisten werden antworten: Mord – das ist die überlegte,
vorsätzliche Tötung, Totschlag – das ist Tötung im Affekt. Aber so
ist es nicht“, kritisiert der Bundesjustizminister. Die Regelung im
Gesetzbuch sei seit über 70 Jahren eine andere. Der Mordparagraf, der
noch aus der NS-Zeit stamme, beschreibe nicht die Tat, sondern einen
Menschentypus mit „moralisch aufgeladenen Gesinnungsmerkmalen“. Das
müsse dringend geändert werden, sagt Heiko Maas.
Karl-Dieter Möller
Der Fernsehjournalist sieht die geplante Abschaffung des
Mordparagrafen kritisch. „Es gibt eigentlich keinen Grund dafür. Wir
sind 60 Jahre immer gut mit der jetzigen Regelung gefahren“, sagt der
langjährige ARD-Rechtsexperte, der viele spektakuläre Mordprozesse
begleitet hat. „Die Richter haben im Großen und Ganzen immer einen
Weg gefunden, vernünftige Urteile zu fällen – auch wenn es
kompliziert war“, sagt der gelernte Jurist. Eine Reform würde
wahrscheinlich dazu führen, dass es für Richter viel schwerer werde,
eine lebenslängliche Strafe zu verhängen.
Ernst-August und Matthias Wehrmann
Die Tat rüttelte im Sommer 2013 die Nordsee-Insel Juist auf: Die
23-jährige Studentin Alexandra Wehrmann war nach einem Diskobesuch am
Strand gewaltsam ums Leben gekommen. Der Täter hatte sie verprügelt,
gewürgt und schließlich im Sand vergraben. 7 Jahre und 9 Monate Haft
wegen Totschlags, so das Urteil des Landgerichts Aurich. „Wir haben
den Glauben an die Justiz verloren“, beklagt Familie Wehrmann. Sie
sieht eindeutige Hinweise auf Mord und fordert für den Täter
„Lebenslänglich“. Die Familie ging in Revision.
Dana Rudersdorf
Die Krankenpflegerin kämpft bis heute mit den Folgen eines
Mordversuchs. Als sie sich im letzten Jahr von ihrem Ehemann trennte,
übergoss der 51-Jährige sie vor den Augen ihres Sohnes mit Benzin und
beschoss sie mit einer Leuchtrakete. Dana Rudersdorf fing am ganzen
Körper Feuer, rettete sich durch einen Sprung in den Gartenteich.
Nur so überlebte die 37-Jährige das Attentat – mit schwersten
Brandverletzungen. Ihr Ex-Mann wurde zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt.
Salome Saremi-Strogusch
Eine Nacht im September 2008 veränderte das Leben der Stewardess. Ihr
Bruder hatte sich in einer Disco schützend vor ein Pärchen gestellt,
das von vier jungen Männern bedroht wurde. Anschließend lauerten sie
ihm vor der Tür auf, schlugen und traten den Studenten bewusstlos.
Dann ließen sie ihn auf der Straße liegen. Wenig später überrollte
ihn ein Taxi. Salome Saremi-Stroguschs Bruder starb. Drei Täter
wurden 2009 wegen schwerer Körperverletzung zu Haftstrafen von drei
bis sechs Jahren verurteilt. Ein Beschuldigter ist weiter flüchtig.
„Mein Bruder ist tot. Ihm ist keine Gerechtigkeit widerfahren. Einer
der Täter ist bereits wieder frei“, sagt die Mutter von zwei Kindern,
die einen Verein für Toleranz und Zivilcourage gegründet hat.
Prof. Dr. Helmut Kury
Was macht einen Menschen zum Mörder? Seit rund 40 Jahren begutachtet
der Psychologe Gewaltverbrecher wie den früheren RAF-Terroristen
Christian Klar. Auch wenn ihn immer noch schockiert, welche grausamen
Taten Menschen begehen können: Auf den zweiten Blick finde man immer
die Beweggründe und Ursachen grausamen Verhaltens, sagt Helmut Kury.
„Mörder waren in ihrer Kindheit oft selbst Opfer. Das entschuldigt
ihre Tat nicht, erklärt sie aber.“ Das sei wichtig, um zukünftige
Taten zu verhindern. In der Frage des Strafmasses fordert der
Gutachter: „Weniger Strafe, mehr Therapie! Denn hohe Strafen bei
Tötungsdelikten bewirken überhaupt nichts.“
Redaktion: Klaus-Michael Heinz
Pressekontakt:
Agnes Toellner, Presse und Information Das Erste,
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