DER STANDARD – Kommentar: „Die Ergrünung der Länder“ von Michael Völker

Die Grünen habe in Österreich eine
Zweidrittelmehrheit. Sozusagen. Mit dem Einzug in die Vorarlberger
Landesregierung sind sie in sechs von neun Landesregierungen
vertreten. Da schaut die SPÖ, die lediglich in fünf Landesregierungen
als Regierungspartei mitzureden hat, auf regionaler Ebene
vergleichsweise bescheiden aus. Das ist ein bemerkenswerter Erfolg
für die Grünen. Gerade 2013 hat mit den Wahlergebnissen in Tirol,
Salzburg und Kärnten einen echten grünen Schub gebracht. Und jetzt
Vorarlberg. Man könnte meinen, die Grünen übernehmen schleichend die
Macht im Land. Und auf dem Land. 30 Jahre, nachdem die Grünen das
erste Mal in einen Landtag einzogen – in Vorarlberg – scheinen sie
heute in der politischen Mitte Österreichs angekommen zu sein. Die
Grünen sind nicht sexy und attraktiv, sie sind nicht frisch und
rotzig, sie sind nicht rebellisch und alternativ. Sie sind
effizient;_pragmatisch und strebsam;_klug und machtbewusst. Die
Grünen wurden domestiziert. Oder haben sie Österreich domestiziert?

Abgesehen davon: Die Grünen gibt es nicht. Es sind in Tirol und
Vorarlberg andere Grüne als etwa in Salzburg, in Kärnten und
Oberösterreich oder in Wien. Dass die Grünen fünf Mal mit der ÖVP und
nur zwei Mal mit der SPÖ (in Wien und Kärnten) kooperieren, ist auch
kein Zufall. Dass die Grünen im Westen des Landes stärker im
bürgerlichen Lager und im konservativen Milieu verankert sind als
etwa in Wien, wo die ideologische Ausrichtung nach links eine größere
Rolle spielt, ist ein altbekanntes Stereotyp, deswegen aber nicht
falsch. Die vereinfachende Schubladisierung als „Öko-Partei“ stimmt
jedenfalls schon lange nicht mehr.

Thematisch haben die Grünen durchaus unterschiedliche
Politikfelder besetzt – auch mit unterschiedlichem Erfolg. In Wien
haben sie deutliche Akzente in der Verkehrspolitik gesetzt. 365 Euro
für die Öffi-Jahreskarte etwa. Oder die „Begegnungszone“ Mariahilfer
Straße, die zwar PR-technisch ein Fiasko war, auf die lange Sicht hin
aber eine Vorzeigeprojekt ist, das die Wiener noch lieben werden.

In anderen Ländern ist es den Grünen (noch) nicht gelungen,
sichtbare Spuren zu hinterlassen, in Salzburg etwa oder in Kärnten.
In Oberösterreich stehen Umweltprojekte im Vordergrund, ebenso in
Tirol. Dass dabei immer wieder Reibungsflächen mit der Wirtschaft
entstehen, ist logisch – und gut so. Gut auch im Sinne der Sache und
der Bürger. Gerade bei überbordenden Tourismusprojekten oder
Verkehrsvorhaben braucht es im Sinne des Naturschutzes und der
Verhältnismäßigkeit ein Korrektiv. Dafür stehen die Grünen, und hier
finden sie abseits ideologischer Vorbehalte Rückhalt bei engagierten
Menschen.

Was fehlt, ist die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene, darauf
scheint der ganze grüne Apparat hinzuarbeiten. So, wie SPÖ und ÖVP
derzeit ihre Regierungsarbeit anlegen, dürfte es klar sein, dass nach
der nächsten Nationalratswahl 2018 diese Zweierkoalition keine
stabile Mehrheit mehr hat. Das wäre dann die Stunde der Grünen – wenn
man alle Wenn und Abers mit FPÖ und Neos wegrechnet.

Spannend wird es, wie die Grünen auf Bundesebene ihre
Oppositionsarbeit bis dahin anlegen – zwischen beinhartem Populismus
und konstruktiver Kritik, zwischen peinlicher Anbiederung und
inhaltlicher Netzwerkarbeit. Im größer werdenden grünen Kosmos ist
vieles möglich.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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