DER STANDARD-Kommentar: „Das Glück im Unglück der ÖVP“ von Conrad Seidl

Persönlich kann Reinhold Mitterlehner wohl nichts
dafür. Die Umstände, die dazu geführt haben, dass die ÖVP in
Vorarlberg kräftig verloren hat, haben mit dem Wechsel an der
Parteispitze im fernen Wien nichts zu tun. Aber schön ist es für
einen Parteichef nicht, wenn eine der bisher erfolgreichsten
Landesparteien eine Wahlschlappe erleidet, bevor er überhaupt vom
Parteitag bestätigt ist.

Das Glück in Mitterlehners Unglück: Es hat keiner Zeit und Lust,
jetzt über den neuerlichen Schwächeanfall der ÖVP zu spotten. Schon
gar nicht der Regierungspartner auf Bundesebene: Die SPÖ, die in
Vorarlberg auch in ihrem Selbstbild nur noch der zweite Zwerg von
links ist, hat ebenfalls deutliche Verluste einstecken müssen – auf
einem Niveau, das für eine Kanzlerpartei blamabel ist.

Das würde ihr normalerweise von den Freiheitlichen unter die Nase
gerieben werden. Aber die FPÖ kann sich über die Verluste der in Wien
regierenden Koalition wohl nicht so richtig freuen. Sie selbst hat im
westlichsten Bundesland ein paar herbe Rückschläge erlitten. Und das,
obwohl sie einen engagierten Wahlkampf geführt hat, in dem sich die
Blauen als Heimatpartei mit Verantwortung zu positionieren versucht
haben. Dass dieser Partei wirklich Verantwortung übertragen würde,
haben ihr die Wähler aber offenbar nicht so richtig abgenommen – noch
ist in Erinnerung, dass die FPÖ zuletzt wegen eines antisemitischen
Sagers von Landesparteichef Dieter Egger aus der Regierung geflogen
ist.

Jedenfalls hat sich gezeigt, dass es kein Naturgesetz ist, dass
die FPÖ bei jeder Wahl zulegen muss.

Im Gegenteil: Gute Umfragedaten, die Heinz-Christian Strache und
seine Partei in den letzten Monaten erzielt haben, legen die Latte,
an der die FPÖ gemessen wird, womöglich so hoch, dass selbst
Wahlerfolge als Niederlagen erscheinen. 23,5 Prozent sind ja ein mehr
als respektables Ergebnis – und liegen über dem
Nationalratswahlergebnis 2013 in Land und Bund. Aber sie liegen unter
den Umfragewerten, an denen die Politik eben gemessen wird.

Das gilt noch stärker für die Neos: Ihre 6,9 Prozent vom Sonntag
würden normalerweise als sensationell eingeschätzt und kräftig
bejubelt. Noch dazu liegen diese 6,9 Prozent nicht allzu weit von den
8,8 Prozent der Sozialdemokraten. Aber sie liegen eben doch unter den
selbstgesteckten Zielen und den Erwartungen, die Neos könnten
Klubstärke erreichen und Anspruch auf einen Landesrat stellen können.

Genau das geht sich eben nicht aus.

Anders bei den Grünen: Sie sind die großen Gewinner dieses
Wahlsonntags, sind die logischen Regierungspartner für die Schwarzen.

Der grüne Erfolg in den Ländern entspricht dem Muster, das sich
schon bei anderen Landtagswahlen gezeigt hat: Die Grünen sehen sich
selbst gern als eine neuartige, moderne Volkspartei. Und ein Gutteil
ihrer Wähler erlebt das inzwischen genauso, zumindest bei
Regionalwahlen. Für die ÖVP ergibt sich daraus, dass sie sich an das
Zusammenleben – und Zusammenarbeiten – mit den Grünen gewöhnen muss.
Dass das funktionieren kann, sieht man in Oberösterreich.

Und dass es nicht zwangsläufig funktionieren muss, macht die Lage
für den geschwächten Landeshauptmann Markus Wallner doch noch
komfortabel: Er braucht sich in Regierungsverhandlungen nicht
erpressen zu lassen. Zur Not könnte er auch der ungeliebten FPÖ eine
Chance geben.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS – WWW.OTS.AT ***

Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen