Am 29. Juli 1914 erfuhr die Welt, dass
Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärt hatte. Seine
Verlautbarung „An Meine Völker!“ schrieb Kaiser Franz Joseph in Bad
Ischl;_er war nur kurz aus der Sommerfrische nach Wien zurückgekehrt,
nachdem ihn die Nachricht von der Ermordung des Thronfolgers Franz
Ferdinand und seiner Frau Sophie in Sarajevo erreicht hatte. Hundert
Jahre später ist wieder Urlaubszeit, das heutige offizielle
Österreich meldet sich ebenfalls nur schriftlich. Die Austria Presse
Agentur leitete die Zusammenfassung der Aussendungen mit dem Satz
ein: „Das Gedenken an den Ersten Weltkrieg eint Bundeskanzler Werner
Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP).“
Zwar war Bundespräsident Heinz Fischer am Jahrestag der Ermordung
in Sarajevo, zu einer offiziellen Veranstaltung hat man sich in Wien
nicht durchringen können. Die serbische Regierung traf sich dagegen
zu einer Sondersitzung in der Stadt Nis, wohin das damalige Kabinett
geflüchtet war. Immerhin reiste der Bürgermeister von Sarajevo für
eine Gedenkfeier am Montag nach Bad Ischl – eine schöne Geste im
Kleinen. Auf höchster Ebene findet jedoch nächsten Sonntag das
Treffen zwischen Deutschland und Frankreich statt, mit den beiden
Bundespräsidenten Joachim Gauck und Francois Hollande wird gemeinsam
an den Kriegsbeginn im Elsass gedacht.
Auch in diesem Gedenkjahr zeigt sich einmal mehr, wie schwer sich
Österreich im Umgang mit seinem historischen Erbe tut – wenn es nicht
nur darum geht, die Räumlichkeiten der Hofburg anders zu nutzen oder
Kaiserin Sisis touristisches Potenzial zu vermarkten. Zwar gab es
einen Festakt am 18. Juni aus Anlass des hundertsten Todestages von
Bertha von Suttner, der gleich mit dem Weltkriegsgedenken kombiniert
wurde. „So krampfhaft diese Abhandlung in einem Aufwasch war, so
wenig Resonanz fand sie denn auch in den Medien“, schrieb die
Frankfurter Allgemeine Zeitung, deren Korrespondent Stephan
Löwenstein von einem „holprigen Gedenken“ berichtete, das zeige:
„Österreich begegnet der Geschichte dieser Tage eher teilnahmslos.“
Dazu passt auch, dass es keine zentrale Gedenkausstellung gibt,
sondern mehrere, wobei die umfangreichste – und beste – auf der
Schallaburg in Niederösterreich stattfindet. Dass diese Dokumentation
gut eineinhalb Stunden von Wien entfernt gezeigt wird, kann auch als
geografische Distanzierung verstanden werden.
Dabei gibt es aktuell Gründe genug, sich mit Krieg und seinen
Auswirkungen auseinanderzusetzen. Wie real die Kriegsgefahr in Europa
durch die Ukraine geworden ist, war zu Jahresbeginn nicht absehbar.
Wie Christopher Clark bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele
sagte, befinden wir uns – wie 1914 – in einer zunehmend multipolaren
Welt, die durch regionale Krisen gekennzeichnet ist. So wie damals
gibt es wachsendes Misstrauen unter den Politikern, zunehmenden
Nationalismus und Spannungen, weil bisherige Strukturen in Auflösung
begriffen sind. Wie der Historiker Clark in seinem Buch Die
Schlafwandler nachzeichnet, stolperten die damaligen Machthaber
geradezu in den Krieg.
1914 gemahnt daran, wie furchtbar die Folgen sein können, wenn die
Politik versagt. Lehren kann man aus der Geschichte aber nur ziehen,
wenn man sich ihr stellt. Das Verhalten der Regierung spiegelt die
österreichische Mentalität: keine klare Positionierung, möglichst
wenig Auseinandersetzung.
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