Der Selbstmord eines jungen Schweden vor laufender
Webcam schockiert. Aber das Phänomen ist so alt wie das Internet.
Zuletzt erregte ein Amerikaner 2008 weltweit Aufsehen, als er sich
vor den Augen seiner Netzgemeinde vergiftete. Tatsächlich reagierte
das Publikum hier genauso wie das in Schweden. Es gab dem Sterbenden
zynische Kommentare mit auf den letzten Weg.
Wenn Inszenierung der Normalfall ist, fällt es eben schwer zu
unterscheiden: Im Internet ist jeder ein kleiner Ich-Sender. Aber es
ist auch das Medium selbst, das sich zwischen uns und das wahre Leben
schiebt. E-Mails etwa pflegen oft einen Ton, als wenn am anderen Ende
kein Mensch säße.
Doch nicht nur die Zuschauer, auch die Opfer/Täter/Regisseure
folgen einem bestimmten Muster: Sie kündigen mit großer Geste an,
hoffen, dass sie jemand stoppt. Darum müssen wir auch nicht voreilig
nach mehr Kontrolle rufen. Wir wollen keinen Überwachungsstaat im
Netz. Besser senkt man die Schwelle zu Hilfsangeboten – so wie es mit
der Frühwarn-Hotline für Amokgefährdete geschehen soll. Zurzeit mühen
sich die Angehörigen von Winnenden um eine Finanzierung – was
offenbar schwer fällt. Es scheint, dass bisweilen auch die reale Welt
dem Netz recht gleichgültig gegenüber steht.
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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