WAZ: Der schöne Schein. Kommentar von Frank Preuß

Der schöne Schein regiert. Mit Werbung wird die
Illusion verkauft, dass alles besser wird in unserem Leben. Sie soll
Sehnsüchte wecken. Ein Pickel auf der Nase eines Fotomodells oder
eine Delle im Oberschenkel stehen dem Idealbild im Weg, dem wir
möglichst hinterhereilen sollen.

Deshalb wird auf Fotos geschummelt. Oder optimiert, wie es der
Pressesprecher eines Kosmetikkonzerns wahrscheinlich nennen würde.
Sogar bei Menschen wie Julia Roberts. Auch in Herrenmagazinen gibt es
nur die nackte Halbwahrheit zu sehen. Das zu wissen, hat ja durchaus
etwas Tröstliches, denn die Künstlichkeit der Perfektion kann
gruseln. Die menschliche Seite aber ist in der Werbung meist
unerwünscht, das Unperfekte, so scheint es, will man uns nicht
zumuten.

Das zu beklagen ist müßig, denn ganz offensichtlich haben wir uns
mit der Lüge gut arrangiert. Die Kosmetikbranche, die uns mit einer
Armada geschönter Frauen und Männer bezirzt, kann sich über
Umsatzeinbrüche keineswegs beklagen. Und wenn sie nun eine Kampagne
einstampft, weil sie es einmal zu bunt getrieben hat, ändert sich an
der Philosophie nichts: Der schöne Schein regiert.

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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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