rbb exklusiv: Rechtsextremismus-Verdacht gegen Anti-Terror-Ermittler der Berliner Polizei

Sperrfrist: 12.07.2018 06:00
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Ein Anti-Terror-Ermittler der Berliner Polizei steht im Verdacht,
mit seinem Dienstvorgesetzten im Szene-Jargon von Rechtspopulisten
und Neonazis kommuniziert zu haben.

Laut einem polizeiinternen Vermerk, der dem ARD-Magazin Kontraste,
dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und der Berliner Morgenpost
vorliegt, forderte der Beamte aus dem Staatsschutz im Berliner
Landeskriminalamt (LKA) in einer SMS an seinen Vorgesetzten „sich von
„Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen“ fernzuhalten. In einer
weiteren SMS nutzte er als Abschiedsgruß die Ziffernkombination
„88“. Sie steht für den achten Buchstaben im Alphabet und wird im
Jargon von Neonazis als Code für die verbotene Nazi-Grußformel „Heil
Hitler!“ genutzt.

Laut polizeiinternem Vermerk datieren die SMS vom 31. Dezember
2016 und vom 20. Januar 2017. Die Nachrichten mit der Formulierung
„scheiß Gut-Menschen“ und der Grußformel „88“ seien jeweils vom Handy
des Polizeioberkommissars verschickt worden. Die Formulierungen
entsprächen „dem gebräuchlichen Tenor rechtsextremistischer
Gesinnung“, so die Einschätzung in dem Polizei-Vermerk. Der
Empfänger der SMS, ein Kriminalhauptkommissar, habe die
rechtsextremen Parolen „nicht kritisch hinterfragt“. Als vorgesetzte
Dienstkraft wäre er gemäß einer polizeilichen Dienstvorschrift dazu
aber verpflichtet gewesen, heißt es.

Die Berliner Polizei bestätigte die Recherchen. Gegen die Beamten
seien bereits im Juni 2017 Disziplinarverfahren eingeleitet worden.
Der Polizeioberkommissar, der die „88“ als Abschiedsgruß genutzt
hatte, habe einen „Verweis“ erhalten. Das Verfahren gegen den
Kriminalhauptkommissar sei noch nicht abgeschlossen. Es gebe
„umfangreiche Ermittlungen“, teilte ein Sprecher der Polizei mit.
Diese stünden aber nicht mit dem Sachverhalt in Verbindung. Einer der
Beamten sei inzwischen in einer anderen Abteilung des LKA tätig, der
andere sei noch im Staatsschutz beschäftigt.

Die Dienststelle des Landeskriminalamtes, in der die beiden
Beamten zum Zeitpunkt des SMS-Austauschs tätig waren, war für die
Überwachung des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri
zuständig . Der Kriminalhauptkommissar war dort stellvertretender
Kommissariatsleiter und wurde zuvor im Herbst 2016 zum Leiter eines
weiteren Anti-Terror-Kommissariats befördert.

Die in Rede stehende SMS-Unterhaltung wurde im Zuge von
Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft entdeckt. Die
Staatsanwälte hatten gegen den Kriminalhauptkommissar und einen
weiteren mit dem Fall Amri betrauten Beamten im Mai 2017 ein
Verfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt und der
Fälschung beweiserheblicher Daten eingeleitet. Den Staatsschützern
war vorgeworfen worden, einen Vermerk über Amris Drogengeschäfte im
Nachhinein manipuliert zu haben, um ihre vorherige Untätigkeit bei
den Ermittlungen zu kaschieren. Das Verfahren wurde im April dieses
Jahres eingestellt, weil kein Vorsatz belegt werden konnte. Die
Staatsanwaltschaft machte aber deutlich, dass der Verdacht der
Aktenmanipulation nicht ausgeräumt werden konnte.

Bei ihren Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft das Handy des
Kriminalhauptkommissars beschlagnahmt. Bei der Auswertung
entdeckten die Ermittler dabei die im Jargon von Rechtsextremisten
gehaltenen SMS. Gegen den Kriminalhauptkommissar und den
Polizeioberkommissar wurden daraufhin die Disziplinarverfahren
eingeleitet. Gegen den Absender der Nachrichten, den
Polizeioberkommissar wurde ein Verweis erteilt. Dabei handelt es sich
um die schwächste Sanktion im Disziplinarrecht.
Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke) kritisiert das
Vorgehen der Berliner Polizeiführung. Sowohl der Absender der SMS wie
sein Vorgesetzter hätten nach diesen Vorgängen „im Polizeidienst
nichts mehr verloren“. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen,
Irene Mihalic, kündigte an, den Fall im Untersuchungsausschuss des
Bundestages zur Aufklärung der Umstände des
Breitscheidplatz-Anschlags aufarbeiten zu wollen. Es sei
„hochproblematisch“, wenn „Beamte mit einer offenbar rechtsextremen
Einstellung“ in einer Dienststelle tätig seien, die für die
Verfolgung von politisch motivierten Straftaten zuständig ist, sagte
Mihalic. Der innenpolitische Sprecher der Berliner FDP, Marcel Luthe,
kritisierte den erteilten „Verweis“ als zu milde. Ein Beamter, der
sich so verhalte, sei „weder für den Staatsschutz geeignet noch für
die Berliner Polizei, weil er ganz offensichtlich weder die Treue zum
Rechtsstaat noch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“ habe,
sagte Luthe.

Die Sendung „Kontraste“ wird am Donnerstag ab 21:45 Uhr im
ARD-Fernsehen ausgestrahlt.

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