Neue OZ: Kommentar zu Russland/Theater/Menschenrechte

Darsteller in der Doku

Russlands Polizei ist Milo Rau in die Kunstfalle gegangen. Im
Kontext einer Hearingaktion, die als Doku-Drama angelegt ist,
verwandeln sich Uniformierte mit ihrer Razzia umgehend in Ausführende
einer Repression im entlarvenden Wirklichkeitsmodus. Die Mächtigen
werden so automatisch vorgeführt. Aber interessiert sie das überhaupt
noch?

Der autoritäre Staat befindet sich gegenüber der Kunst in einem
klassischen Dilemma. Russlands Polizei hätte die Kunstaktion
ignorieren können – um den Preis, dann einen Freiraum zugelassen zu
haben. Mit der Razzia zeigt der Staat die ostentative Drohgebärde –
stellt sich aber deshalb bloß, weil die Behördenaktion vor aller
Augen unmittelbar als Willkürakt erkennbar wird.

Die Razzia hat auf jeden Fall klargemacht, wie relevant und
legitim Milo Raus Projekt ist. Sein Doku-Drama holt die Wirklichkeit
politischer Konflikte direkt in die Arena der Debatte. Kunst hält
sich hier nicht lange mit fiktiven Formaten auf, sondern bietet die
Versuchsanordnung für den Austrag verdrängter Gegensätze. Die
Polizisten agierten in diesem Kontext unfreiwillig, aber
unausweichlich als Darsteller – in einem erhellenden Auftritt.

Stefan Lüddemann

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207

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