Neue OZ: Kommentar zu Russland / Ballett / Kriminalität

Krieg hinter pompöser Fassade

Zickenkrieg in der Ballett-Compagnie? Weit untertrieben. Hinter
der pompösen Fassade des Bolschoi tobt offenbar ein Machtkampf wie
unter verfeindeten Mafia-Clans. Und der wird mit Methoden
ausgetragen, die sich mit grazilem Spitzentanz kaum zu vertragen
scheinen. In der Welt des schönsten Scheins geschehen ekelhaft
hässliche Dinge. Wie furchtbar, und wie nachvollziehbar.

Denn das Bolschoi funktioniert nach den Gesetzen von Kaste,
Kaderschmiede und Kaserne. Wer sich in Moskaus Theatertempel
etablieren will, muss extrem leistungsbereit und durchsetzungsfähig
zugleich sein. Das geschlossene Elitesystem erzeugt einen
Binnendruck, der sich jetzt in extremer Weise entladen hat. Wie der
Alltag zermürbender Konkurrenzkämpfe aussieht, kann man sich auf dem
Hintergrund des Anschlags bestens vorstellen.

Der Säureanschlag trifft doppelt, weil er der Gesundheit und dem
Nimbus des Ballettchefs in gleicher Weise gilt. Filin wird wohl
entstellt bleiben, in der Welt glatter Schwanensee-Eleganz ein
vernichtender Makel. Er hat offenbar nicht nur Karrieristen gekränkt,
sondern auch Interessen mächtiger Männer geschadet. Das Bolschoi im
Fadenkreuz des Verbrechens? Was für eine Vorstellung.

Stefan Lüddemann

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207

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