Neue OZ: Kommentar zu Literatur

„J“ wie Jean Paul

Liegt es am Namen, dass niemand Jean Paul liest? Wer ihn im Regal
unter „P“ sucht, greift ins Leere: Pseudonyme ordnen Bibliothekare
als Ganzes ein, hier also unter „J“. Gefunden wird Jean Paul nur
selten: Neun bis zehn Ausgaben der Gesammelten Werke verkauft der
Hanser Verlag im Jahr. Mehr nicht. Kanon schlägt Leselust! Bei der
Auswahl dessen, was man lesen muss, wird gnadenlos gesiebt. Für Jean
Pauls Schaffenszeit mit den alles überstrahlenden Konkurrenten
Schiller und Goethe gilt das erst recht. Soll man am 250. Geburtstag
dafür streiten, dass Jean Paul zum „Muss“ wird?

Lieber nicht! Gerade der schräge Vogel aus Wunsiedel ist das beste
Beispiel für eine Literatur quer zu Kanon und Konvention: Seine
Bücher feiern das Chaos und die Abschweifung und zelebrieren die
Unabschließbarkeit des Werks. So einer taugt nicht zur
Pflichtlektüre. Zur anarchischen Ausschweifung, zum wüsten
Leseabenteuer aber umso mehr. Dem Autor der sprudelnden Einfälle, des
waghalsigen Satzbaus und der verschachtelten Komposition darf man
sich ausdrücklich über Ausschnitte nähern. Für den Ehrentag reicht
die „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott
sei“. Die steht in jedem Lesebuch! Die Lust auf den vollen
„Siebenkäs“, zu dem die fünf Seiten gehören, kommt dann schon.

Daniel Benedict

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207

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