NDR Info: Bund droht Millionenverlust durch fragwürdige Geschäfte von Alteigentümern

Sperrfrist: 22.12.2011 01:00
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Wegen einer Lücke im Entschädigungsrecht droht dem Bund ein
Schaden in Millionenhöhe. Hintergrund ist ein Gesetz, das
Alteigentümern das Recht gibt, vom Bund landwirtschaftliche Flächen
in Ostdeutschland zu etwa einem Fünftel des heutigen Marktpreises zu
kaufen. Nach Recherchen des Radioprogramms NDR Info profitiert eine
Firma erheblich von dieser Subvention, die eigentlich als
Entschädigung für einzelne Alteigentümer gedacht ist. Die
Vertragsgestaltung der Firma ist nach Einschätzung von
Wirtschaftsstrafrechtlern rechtswidrig.

Bei der Firma handelt es sich um die in Berlin registrierte
Hoffondsgut mit Geschäftssitz in Dalwitz (Kreis Rostock). Sie
finanziert den Landkauf für ehemals enteignete Alteigentümer, die das
Recht auf den Vorzugspreis haben. Die Firma profitiert davon, indem
sie nur einen Teil des Preisnachlasses an die Alteigentümer
weitergibt. Nach eigenen Angaben will die Hoffondsgut bis zu 100
Alteigentümer für dieses Modell gewinnen. Nach Berechnungen von NDR
Info würden dem Bund so bis zu 24 Millionen Euro entgehen, weil er
Land zum reduzierten Preis abgeben muss, statt es zum derzeitigen
Wert auf dem Immobilienmarkt zu verkaufen.

Die Firma verstoße gegen das Kreditwesengesetz, meint der
Professor für Wirtschaftsstrafrecht der Universität Hannover, Carsten
Momsen. Die Hoffondsgut betreibe Bankgeschäfte, für die eine
Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
notwendig sei. Denn die Firma biete den Erwerbern die Finanzierung
des Landkaufs gegen die Sicherheit der Grundschuld an. „Ohne diese
Erlaubnis ist das Geschäft verboten und kann von der Bundesanstalt
untersagt werden“, sagte Momsen. Eine Banklizenz aber hat die
Hoffondsgut nicht, wie die BaFin NDR Info bestätigte. Die Behörde
prüft den Sachverhalt derzeit.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Til Backhaus
(SPD) forderte eine Klärung. Backhaus sprach von „Auswüchsen“, wenn
sich „findige Leute“ den vergünstigten Flächenerwerb zunutze machten.
Grundsätzlich sei ein solches Geschäftsmodell gesetzlich nicht
ausgeschlossen, erklärte der SPD-Politiker NDR Info, „aber wir
wollten das nicht. Die volle Verantwortung dafür trägt die
Bundesregierung.“ Die für den Landverkauf zuständige bundeseigene
Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft BVVG teilte NDR Info
mit, sie habe bisher keine Veranlassung gesehen, gegen Hoffondsgut
rechtlich vorzugehen. Allerdings wurde nicht geprüft, ob eine
Banklizenz vorliegt. „Derartige Prüfungen gehören nicht zu unseren
Aufgaben“, erklärte BVVG-Geschäftsführer Wilhelm Müller.

Die Hoffondsgut verteidigt ihr Geschäftsmodell als rechtlich
einwandfrei. „Das ist es, sonst hätten wir es ja gar nicht auflegen
können. Wir würden uns ja bis auf die Knochen blamieren, wenn wir
etwas auflegen würden, was rechtlich nicht total abgesichert ist“,
sagte der Hoffondsgut-Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Graf von
Bassewitz NDR Info und ergänzte, man trete nicht als Bank auf und
brauche daher keine Banklizenz.

Graf von Bassewitz betreibt seit der Wende auf seinem alten
Familiengut Dalwitz ökologische Landwirtschaft und wurde dafür
mehrfach ausgezeichnet. Von Bassewitz ist unter anderem
Präsidiumsmitglied des Deutschen Bauernverbandes und dessen
Beauftragter für den ökologischen Landbau. Außerdem ist er Mitglied
im Rat für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung.

Rückfragen an: Christoph Heinzle und Kersten Mügge, NDR Info
Reporterpool, Tel. 040/4156-2885.

Zitate frei bei Nennung NDR Info.

21. Dezember 2011

Pressekontakt:
NDR Norddeutscher Rundfunk
NDR Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 – 2302
Fax: 040 / 4156 – 2199
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