Mittelbayerische Zeitung: Der Unbeugsame: Obwohl Gustl Mollath vor Gericht immer nur gewinnen konnte, hat er seine zweite Chance vertan. Von Pascal Durain

Gustl Ferdinand Mollath, 57: Ein Mann ohne
Pass, Einkommen und festen Wohnsitz, dafür aber mit einem Anliegen.
Seit dem 7. Juli steht er wieder vor Gericht. In wenigen Tagen wird
das Urteil verkündet. Mollath hatte nur eine Bitte an die Richterin:
Das Urteil solle bitte fair und gut begründet sein. Doch Mollath
kämpft nicht für seine Unschuld, sondern für sein Ansehen. Kaum ein
anderer Fall hat das Vertrauen in die Justiz so stark erschüttert –
und den Rechtsstaat vor eine so schwierige Prüfung gestellt. Und kaum
ein Prozess wurde so herbeigesehnt. Die Anforderungen der
Öffentlichkeit an die Robenträger waren klar: Zeigen Sie uns, dass
unbequeme Menschen einen fairen Prozess bekommen, dass Sie Fehler
aufarbeiten können. Und genau das ist passiert. Auch, wenn es der
Angeklagte und seine Front von Unterstützern nicht wahr haben wollen.
Ihnen geht es um etwas, das ein Strafprozess nicht leisten kann:
Andere an den Pranger zu stellen: Politiker, Richter, Bankvorstände
und Psychiater. Mollath will nicht nur Wiedergutmachung, er will
anklagen: Die Zustände in der Forensik, wie schnell man dorthin
abgeschoben wird, und wie Reiche und Mächtige die Behörden
beeinflussen. Dabei hat Mollath schon vor dem Prozess vieles
erreicht: Eine überforderte Justizministerin (Beate Merk) wurde nach
den Wahlen abgesägt, ihr Nachfolger Winfried Bausback arbeitet an
einer Reform des Schuldunfähigkeitsparagrafen 63. Und jeder Richter
wird künftig genauer hinschauen, ob er einem Gutachter glaubt und
jemanden aus einem vermeintlichen Sicherheitsbedürfnis heraus in eine
geschlossene Abteilung sperrt. All das ist ein Verdienst Mollaths.
Doch in einem Strafprozess geht es um etwas anderes. In diesem Fall:
Körperverletzung, Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung. Dass dafür
17 Tage angesetzt und 44 Zeugen geladen wurden, verdeutlicht, wie
ernst dem Gericht die Sache ist. Dabei stand von vorneherein fest:
Mollath wird freigesprochen. Das schreibt die Strafprozessordung so
vor. Denn Mollath wurde auch im ersten Verfahren freigesprochen,
wegen Schuldunfähigkeit aber weggesperrt. Schlechtergestellt werden
darf er aber nicht. Richter und Staatsanwalt wollten Gustl Mollath
eine zweite Chance geben, das sagten sie wortwörtlich vor Gericht.
Aber Mollath hat sie vertan. Er reagierte schon vom ersten Tag an
trotzig, als er den psychiatrischen Gutachter, der für kritische Töne
über seine Kollegen und die forensische Psychiatrie bekannt ist, des
Saales verweisen wollte. Wieder lehnte Mollath es ab, sich
untersuchen zu lassen – und so nahm er sich erneut die Chance auf ein
Gutachten, das aussagekräftig ist und alle anderen hätte widerlegen
können. Mollath erklärte stattdessen: Er habe keinen Wahn, aber unter
den Augen des Gutachters auszusagen, sei ein Verstoß gegen seine
Menschenrechte und löse bei ihm gar kriegstrauma-ähnliche Zustände
aus. Also protestierte er mit Schweigen – und erschwerte die
Beweisaufnahme. Verhandlungstag für Verhandlungstag stand er hinter
seinem Stuhl, blickte ins Leere, und wartete auf die Kammer. Nur, um
sich nicht eigens für das Gericht zu erheben. Das ist eine eitle wie
respektlose Geste. Am letzten Tag vor dem Urteilsspruch führte er
lange aus, wie miserabel die Staatsanwaltschaft gearbeitet hätte, was
in diesem Prozess alles nicht zur Sprache gekommen sei – aber
Aufklärung zu den Vorwürfen? Nur so viel: „Ich habe das nicht getan.“
Den Weg zu einem „Freispruch erster Klasse“ (erwiesene Unschuld) hat
er sich so erschwert. Zumal vieles darauf hindeutet, dass Mollath gar
nicht so unschuldig ist. Gustl Mollath stilisiert sich als aufrechter
Streiter für Moral und Gerechtigkeit. In seinem Schlusswort sagte er,
er habe „nie den Pfad des Rechts verlassen. Mein Degen war die
Feder.“ Egal, wie das Urteil ausfällt, Mollath wird unzufrieden sein.
Er kann nicht anders, er ist unbeugsam.

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