DER STANDARD-Kommentar: „Unser Platz im Mittelmaß“ von Michael Völker

Österreich suhlt sich in der Mittelmäßigkeit, auch
dieses Mal wieder: Im Kompetenzbereich „Problemlösen“ liegen die
österreichischen Schüler im internationalen Mittelfeld. Das ist das
Ergebnis einer Teilauswertung einer Pisa-Studie, die im Jahr 2012
durchgeführt und jetzt veröffentlicht wurde. Es ist nicht wirklich
überraschend, manch einer wird sogar aufatmen. Wir sind nicht
schlecht. Immerhin.

Allerdings: Wir sind auch nicht gut. Wir sind Mittelmaß. Wie
unsere Regierung. Die zeigt auch keine Ambition, duckt sich weg in
der Mittelmäßigkeit. Statt aufzuzeigen und die Herausforderung zu
suchen, werden Zustände verwaltet und Probleme kleingeredet.

Der Pisa-Test ist sinnbildlich ein gutes Beispiel für die
Bundesregierung, für die Verwaltung, für den Umgang mit
Herausforderungen. Diesmal wurden nicht Disziplinen wie Mathematik
oder Naturwissenschaften getestet, sondern der Kompetenzbereich
Problemlösen. Ein Feld also, bei dem es nicht nur ums Lernen, ums
Auswendiglernen, um fachspezifisches Wissen, um Fleiß und Eifer geht,
sondern das lebensnah ist: Probleme erkennen, angehen und lösen. Dazu
braucht man Verstand und Verständnis, Kreativität und vielleicht
Erfindergeist, eigenständiges Denken. Wichtige Voraussetzungen nicht
nur für die Schule, sondern für das Leben, für die Wirtschaft, für
die Wissenschaft, für den Beruf. Simples Beispiel: So mussten an
einem virtuellen Fahrscheinautomaten bestimmte Tickets gekauft oder
auf einer Straßenkarte die schnellste Route von einem Ort zum anderen
identifiziert werden.

Ganz typisch ist, wie die Regierung nun mit dem Pisatest verfährt,
der innerhalb der OECD-Staaten koordiniert wird und alle drei Jahren
stattfindet. Österreich will nicht besser werden. Österreich bemüht
sich nicht, die Leistung zu verbessern, die Kompetenz zu erhöhen,
Schüler und Lehrer zu fordern, Anreize zu setzen, das System zu
verbessern, am Lehrplan zu arbeiten.

Österreich steigt aus dem Pisa-Test aus. Österreich taucht
sozusagen in der Mittelmäßigkeit unter und versucht sich
bildungsmäßig unsichtbar zu machen. Keine Leistungstests mehr, keine
Vergleiche. Lieber still und stumm weiterwursteln, ohne dass jemand
zusieht und Noten vergibt.

Das ist blamabel. Egal, ob man das aus einem nationalen
Sichtwinkel betrachtet oder aus der internationalen Perspektive:
Diese österreichische Form der Problemlösung ist nicht kreativ, diese
Form der Verweigerungshaltung ist armselig.

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek steht für diese
mutlose Art der Politik, und man kann sich nur wundern. Sie hat unter
der fadenscheinigen Ausrede eines Datenlecks, das mit der Pisa-Studie
in keinem Zusammenhang steht, die Teilnahme an dem internationalen
Testverfahren aufgekündigt. Es ist überraschend, wie schnell
Heinisch-Hosek in ihrer neuen Rolle als Unterrichtsministerin ihren
Kredit als kompetente und problemlösungsorientierte Politikerin
verspielt und ohne große Not der Überforderung Platz eingeräumt hat.

Der Mut, den Heinisch-Hosek als Frauenministerin noch hatte, als
sie Forderungen in den Raum stellen konnte, denen ohnedies nicht
nachgekommen wurde, ist ihr in jenem Ressort, in dem es an die
Machbarkeit und um Umsetzung geht, abhandengekommen. Sie richtet sich
in der Mittelmäßigkeit ein. Die Verösterreicherung hat von ihr Besitz
ergriffen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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