Auch wenn Aktienbörsen und Anleihenmärkte zunächst
verhalten reagierten, dieser Mittwoch war ein guter Tag für Italien.
Denn mit Mario Monti kehren Werte in den Palazzo Chigi zurück, die
längst verloren geglaubt waren. Statt Silvio Berlusconis bizarrer
Bordellpolitik regieren am Sitz des italienischen Ministerpräsidenten
nun wieder Sachverstand, Seriosität und weltgewandte
Professionalität. Ein Kabinett aus so genannten Technikern gibt der
italienischen Politik das zurück, was ihr schon vor langer Zeit
abhandengekommen ist: Vertrauen in Führungsqualitäten und
Lösungskompetenz der regierenden Eliten.
Dennoch dürfen die Hoffnungen in Monti nicht zu hoch gesteckt werden:
Berlusconi mag als Premier vorerst Geschichte sein, der von vielen
italienischen Intellektuellen so bitter beklagte Berlusconismus ist
es nicht. Sein bleibendes Erbe sind grenzenlose Vulgarität, fehlendes
Verantwortungsbewusstsein und eine ungenierte
Selbstbedienungsmentalität, die sich im italienischen politischen
System seit langen Jahren eingenistet hat. Und ausnahmslos alle
Parteien in Kammer und Senat, wo sich der ehrbare Professor Monti nun
die Mehrheiten für seine Reformvorhaben holen muss, sind davon
infiziert.
Dem neuen Regierungschef bleibt nicht viel Zeit, um seine Agenda
voranzutreiben. Noch genießt er die Zustimmung einer großen Mehrheit
der Bürger, noch haben die Parteien einen gewissen Respekt vor der
Autorität des renommierten Ökonomen. Aber es wird nicht lange dauern,
bis sich auch Monti in römische Kabalen verstrickt haben wird.
Insbesondere Silvio Berlusconi wird sich die Zustimmung seiner
Fraktionen in der Kammer und vor allem im Senat zu Sparbudgets und
Pensionsreform teuer abkaufen lassen. Andererseits wird auch die
Monti bisher freundlich gesinnte Linke wenig Freude damit haben, wenn
der ehemalige Wettbewerbskommissar die Wirtschaft vor allem gegen den
Willen der Gewerkschaften wieder flottmachen will.
Zur Eile drängen aber nicht nur die politischen Rahmenbedingungen.
Entscheidend für die Sanierung Italiens sind die kommenden vier, fünf
Monate auch aus budgetärer Sicht. Bis zum Frühjahr muss die Republik
rund 150 von den knapp 1900 Milliarden Euro Schulden refinanzieren.
Sinkt das Zinsniveau für Anleihen nicht, wird das eine sehr teure
Angelegenheit für Italien – wenn es denn überhaupt Abnehmer für seine
Papiere findet. Bereits jetzt gibt Rom unvorstellbare 60 Milliarden
Euro pro Jahr für den Zinsdienst aus.
Die allgemeine Wirtschaftslage verschärft dieses Problem noch. In
einem auf eine Rezession zusteuernden Europa kann eine Schocktherapie
für ein schon bisher nur minimal wachsendes Italien ein Schlag ins
Kontor sein.
Alle diese Umstände relativieren die Möglichkeiten des Kabinetts
Monti einigermaßen. Und dennoch ist diese Regierung wohl die beste
(und einzige) Chance, die Italien hat, um aus dem Schlamassel
jahrelanger Misswirtschaft und politischer Schlamperei zu kommen.
Sieht man auf die 1990er-Jahre, ist eine solche Trendwende einer
ähnlichen Expertenregierung unter Carlo Azeglio Ciampi bereits einmal
gelungen.
Auch mit einem Blick aus dem fernen Wien – Italien ist noch immer
zweitwichtigster Handelspartner Österreichs – muss man „Super-Mario“
Monti und seinen braven Professoren dieselbe Fortüne wünschen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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