DER STANDARD-Kommentar: „Politisches Siechtum“ von Michael Völker

Es gibt keine Entwarnung für Michael Spindelegger.
Er steht auf der parteiinternen Abschussliste nach wie vor ganz oben.
Die Klubklausur in der Steiermark, ausgerechnet in der Steiermark,
brachte ihm bestenfalls eine Verschnaufpause: Fast ein wenig
unterwürfig, aber durchaus charmant hat sich Spindelegger bei seinen
Parteifreunden, den Abgeordneten, entschuldigt. Dafür, dass er ist,
wie er ist, dass er zuletzt nur wenig und das schlecht kommuniziert
hat, nach innen wie nach außen. Vor allem auch nach innen.

Den Parteichef zu prügeln und die Bundespartei schlecht dastehen
zu lassen, das ist in der ÖVP so etwas wie ein Volkssport. In dieser
Sportart gibt es bei den Schwarzen einige echte Leistungsträger, man
findet sie besonders in der Steiermark, auch in Salzburg, Tirol und
Vorarlberg. Wenn man sich genauer anschaut, wer da so über den Chef
in Wien herzieht: Das sind nicht die Leute, die sich durch eigene
Erfolge hervorgetan haben. Am Beispiel Steiermark sieht man das
besonders gut. Darum agieren diese Kritiker bevorzugt auch aus dem
Hinterhalt.

Seis drum. Dass Spindelegger über die gesamte Legislaturperiode
von fünf Jahren Parteichef bleibt und als Spitzenkandidat in die
nächste Wahlauseinandersetzung zieht – das ist schwer vorstellbar.
Das behauptet kaum noch jemand in der Partei, viele wollen das auch
gar nicht, und bei Spindelegger selbst hat man auch nicht mehr den
Eindruck, dass er noch daran glaubt.

Es wäre durchaus ein spannendes Experiment, wenn Spindelegger die
Verantwortung aufteilen und den Parteivorsitz abgeben würde. So
könnte Spindelegger die aufmüpfigen Länder, die ständig in alle
Richtungen ausbüxen wollen, wieder einbinden. Er müsste nur sich
selbst opfern. Könnte aber Finanzminister bleiben, sogar Vizekanzler.
Es böte sich als Parteichef etwa Wilfried Haslauer an. Der kann auf
Erfolge verweisen, er ist Landeshauptmann, er gilt als liberal und
intellektuell, in Salzburg ist er verkehrstechnisch gesehen relativ
zentral verortet. Er ist flexibel, immerhin ist er in einer Koalition
mit den Grünen. Und er hat eine Gesprächsbasis in alle Richtungen der
Partei, er fände halbwegs Akzeptanz bei den anderen Landeschefs, und
er kann mit den Bünden.

Das wäre eine pragmatische Parteiführung, die natürlich auch ihre
Nachteile hat, aber jedenfalls besser wäre, als dem langsamen
politischen Siechtum des Michael Spindelegger noch länger untätig
zuzuschauen. Und das hieße nicht, dass Haslauer auch automatisch der
Spitzenkandidat für die nächste Nationalratswahl wäre. Da könnte sich
die ÖVP noch ein bisschen Zeit nehmen und schauen, ob sich in ihren
Reihen nicht doch noch ein glaubwürdiger und attraktiver Kandidat
fände, der ein breiteres Publikum anspräche, so ein schwarzer
Wunderwuzzi mit Charme und Esprit.

Für die ÖVP und das Land könnte eine Lösung der aktuellen
Führungskrise auch inhaltliche Entspannung bringen. Obwohl die ÖVP so
schwach ist, wie sie ist, besetzt sie wesentliche Ministerien und
blockiert die wichtigsten Themen von der Bildung bis zur
Steuerpolitik. Eine parteiinterne Durchlüftung täte also nicht nur
der ÖVP gut. Und die Länder bekämen jenen Stellenwert eingeräumt, den
sie einfordern. Sie müssten zeigen, dass sie nicht nur miesmachen und
intrigieren, sondern auch konstruktiv sein können. Das wäre doch
einmal ein spannendes Experiment.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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