DER STANDARD-Kommentar: „Offenheit statt Hinterzimmer“ von Thomas Mayer

Alles Herumdeuten und Kleinreden ist sinnlos: Der
enorme Erfolg der Rechtsextremen in Frankreich, der rechten
Anti-EU-Populisten in Großbritannien wie auch der Linkspopulisten in
Griechenland bei den Europawahlen kommt einem Erdbeben für die
europäische Integrationspolitik gleich. Das kann nicht ohne Folgen
bleiben.

Dennoch gab es schon am Tag danach aus den etablierten
Volksparteien die ersten Versuche, so zu tun, als könne man einfach
so weitermachen wie bisher. Man solle diese Parteien und extremen
Einzelkämpfer nicht allzu wichtig nehmen, denn sie seien sehr
inhomogen. Die einen wollten den Euro abschaffen, die anderen seien
nur für eine andere Einwanderungspolitik, die Dritten seien einfach
Nationalisten, versuchte selbst Jean-Claude Juncker, der Favorit für
den Posten des künftigen EU-Kommissionspräsidenten, den Dingen seinen
eigenen Spin zu geben. Denn gut zwei Drittel der Europäer stünden
nach wie vor fest zum eingeschlagenen Kurs.

Das ist im Prinzip schon richtig. Man könnte dem auch noch
hinzufügen, dass die Erfolge der Radikalen auch ländermäßig in ganz
Europa sehr ungleich verteilt sind. Rechtsextreme, die eine klar
ausländerfeindliche Politik anstreben (oder, wie die FPÖ_das
kaschiert: eine inländerfreundliche) waren vor allem in Frankreich,
Dänemark, Österreich und Finnland auffällig; nicht zu vergessen die
Jobbik in Ungarn mit ihren antisemitischen Tönen. Es stimmt auch,
dass der Einfluss der Rechts- und Linkspopulisten im Europäischen
Parlament sich auch in Zukunft eher in Grenzen halten wird, weil sie
zwar auf gut 15 Prozent der Mandate kommen, aber in sich zersplittert
bleiben werden, auf Abstimmungen und Gesetzesvorlagen wenig Einfluss
haben.

Aber das ist kein Trost. Ihr Einfluss und ihr Gift, das sie in die
Union einbringen, entfaltet auf eine ganz andere Weise ihre
gefährliche Wirkung – über den Umweg der Nationalstaaten bzw. deren
Regierungen. Solange es so ist, dass Traditionsparteien wie die
britischen Tories mit Premierminister Tony Blair oder – weit
gemäßigter – eine Landesregierung wie die bayerische unter
Ministerpräsident Horst Seehofer mit den Radikalen darum wetteifern,
wer sich EU-skeptischer gebärdet, wird der Zulauf nach rechts (und
weniger nach linksextrem) anhalten. Es gibt nur eine Möglichkeit aus
diesem Teufelkreis ins Negative herauszukommen.

Alle gemäßigten Parteien, die es gut meinen mit dem gemeinsamen
Projekt, der europäischen Einigung müssen sich in den kommenden
Jahren viel stärker darauf konzentrieren, die Demokratie, die
Bürgernähe auch auf der komplizierten europäischen Ebene zu stärken.
Es reicht einfach nicht, den Bürgern immer nur zu sagen, dass alles
so kompliziert, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme schier
unlösbar sind. Europäische Politik muss, im wahrsten Sinn des Wortes,
raus zu den Menschen in dieser großen Union.

Dazu gehört, dass die Parteien in Straßburg und die
Regierungschefs im Rat dafür sorgen, dass die neue EU-Kommission auf
transparente demokratische Weise gebildet wird. Keine Tricks. Der
Wahlgewinner und Kandidat für die EU-Spitze, Juncker, muss für alle
sichtbar seine Vorschläge präsentieren können. Scheitert er, soll der
Zweitplatzierte, Martin Schulz, seine Chance bekommen. Aber es wäre
fatal, wenn auf riesigen Unwillen des Volkes neue Hinterzimmerdeals
folgen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS – WWW.OTS.AT ***

Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen