DER STANDARD-Kommentar: „Mit denen kann man–s ja machen“ von Lisa Nimmervoll

Es ist eine Schleife des Grauens, in der die
österreichische So-als-ob-Bildungspolitik zurzeit läuft. Eine
verheerende „Sparidee“ für die Schulen löst die andere ab – und die,
die das verantworten, finden es wunderbar und gehen zufrieden
auseinander. Motto: Gutgegangen, nix geschehen, wieder einmal
davongekommen.

Die jüngste Ungeheuerlichkeit ereignete sich beim „Schulgipfel“,
den Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) mit den
Bildungsreferenten der Länder inszenierte. Mit dem Ergebnis, dass nun
nicht vor allem die Schüler im pädagogisch verflixten neunten
Schuljahr in größeren Klassen die Zeche zahlen sollen, sondern es
wurden noch bequemere Opfer gefunden: jüngere Schulkinder mit
Betreuungsbedarf und ihre Eltern. Mit denen kann man–s ja machen.

Die mussten sich schon mit der kaum spürbaren Erhöhung der
Familienbeihilfe um acht bis zwölf Euro pro Monat vorführen lassen.
Denen kann man getrost den versprochenen Ausbau der Ganztagsschulen
wieder wegnehmen. Was sollen die denn groß dagegen tun? Ihre Kinder
müssen hin, weil Schulpflicht. Zahlen müssen sie auch, weil
Steuerpflicht. Und ihre Kids betreuen? Ach ja, müssen sie natürlich
auch. Irgendwie halt. Irgendwo. Mit Geld geht das schon.

Es ist also auch eine degoutante sozialdarwinistische Maßnahme auf
Kosten derer, die sich am wenigsten wehren können, aber am meisten
davon profitieren würden. Damit wurde die mit viel
sozialdemokratischem Pathos – und deutlich weniger Hingabe seitens
der ÖVP – groß verkündete, dringend notwendige Ganztagsschuloffensive
kurzerhand gekapert und um 50 Millionen Euro reduziert.

Dass die finanzmaroden Gemeinden bisher nicht die ganze
„Anschubfinanzierung“ abgerufen haben, ist ihnen nicht zum Vorwurf zu
machen. Es zeigt nur einen Konstruktionsfehler. Denn eigentlich wäre
es die Verantwortung des Bundes, für schulpflichtige Kinder beste,
ausfinanzierte Betreuungsverhältnisse anzubieten.

Es zeugt von verstörendem Kadergehorsam, dass ausgerechnet die
Sozialdemokratin, die als Frauenministerin eine gute, engagierte
Performance hingelegt hat, als Unterrichtsministerin den
berufstätigen Eltern, vor allem den Frauen, die noch immer den
Großteil der Betreuungsarbeit leisten, so in den Rücken fällt. Alles,
damit Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in Ruhe „durchregieren“
kann?

Es ist aber auch ein Zeichen für mangelndes Bewusstsein, was
Schule als einer der wichtigsten verbindlichen Orte für alle Kinder
über die bloße Wissensvermittlung hinaus ist. Über den pädagogischen,
sozial- und gesellschaftspolitischen Wert von Ganztagsschulen, die
Lernen, Fördern und Freizeit verbinden und so in hohem Maß sozial
kompensatorisch wirken und „Nachteilsausgleich“ schaffen, sollte man
eine Regierung eigentlich nicht mehr aufklären müssen.

Über die allmählich staatsgefährdenden Auswüchse des Kraken
Föderalismus auch nicht. Sie hat dem Land beim Ringen um das
Schulbudget wieder ein Stück Zukunft gestohlen. Die
Selbstgefälligkeit der Landespolitiker war dabei entlarvend: Der Bund
macht noch immer, was wir wollen. Tja. Mit denen kann er–s nicht
machen.

„Der Bund“ ist immer nur so schwach wie seine Regierung. Weniger
Widerstand als von Faymann und ÖVP-Kompagnon Michael Spindelegger
hatten die Länder nie abzuwehren.

Mit uns können sie–s ja machen? Nun, längstens bis 2018.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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