„DER STANDARD“-Kommentar: „Keine Panik vor dem Schiedsgericht“ von András Szigetvari

Dass ein internationales Schiedsgericht künftig
darüber urteilen könnte, wenn ein US-Konzern Österreich oder ein
anderes europäisches Land auf Schadenersatz klagt, sorgt für
Empörung. Greenpeace, die Grünen, Attac und die Arbeiterkammer sehen
in den Sonderklagerechten, die ein Teil des geplanten
Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA sein sollen, einen
Anschlag auf die Rechtsstaatlichkeit. Ihre Warnung hat selbst bei
Kanzler Faymann Eindruck hinterlassen, der Skepsis gegen die
Sonderklagerechte äußert. Doch vieles spricht dafür, dass hier
überzogene Angstmache betrieben wird. Die Schiedsgerichte werden die
Umwelt- und Menschenrechtsstandards in Europa nicht aushebeln, und
sie gefährden den Rechtsstaat nicht. Belegen lässt sich dies mit
einem Beispiel der Kritiker. Greenpeace berichtet auf seiner Website
von Lobbyingaktivitäten des amerikanischen Erdölgiganten Chevron bei
der US-Regierung. Das Unternehmen will durchsetzen, dass die
speziellen Klagerechte Teil des Freihandelsabkommens werden. Für
Greenpeace ist das illegitime Einflussnahme. Aber was will Chevron?
Der Konzern investiert derzeit Millionen in die Schiefergasförderung
in Europa. Das Unternehmen hat Ländereien in Bulgarien, Rumänien und
Polen geleast und Probebohrrechte erworben. Doch die Förderung von
Schiefergas, das Fracking, ist wegen der eingesetzten Chemikalien
umstritten. Wegen Umweltbedenken wird immer wieder ein Verbot
gefordert. Sollte das Parlament in Sofia oder Warschau die Sache
abblasen, wäre dies politisch legitim, vielleicht sogar klug. Aber
Chevron müsste so wie in jedem Rechtsstaat die Chance bekommen, auf
Schadenersatz zu klagen. Warum kann das Unternehmen sein Geld nicht
bei einem nationalen Gericht einfordern? Chevron könnte. Aber
innerstaatliche Gerichte setzen innerstaatliches Recht um. Die
Parlamente könnten Schadenersatzansprüche ausschließen. Genau deshalb
macht die Einsetzung eines neutralen Schiedsgerichtes Sinn. Nun wird
eingewandt, dass Staaten der politische Spielraum genommen wird. Doch
das ist falsch. Das Fracking-Verbot könnte kommen. Aber es müsste
argumentiert werden. Wenn ein Land erst teuer Förderrechte verkauft,
kann die Wende kosten. Kritisiert wird auch, dass Schiedsrichter
leichter bestechlich sind, weil sie nicht ständig als Richter
arbeiten, sondern nur ad hoc berufen werden. Aber die Schiedsrichter
sind im Hauptberuf meist gut bezahlte Juristen. Es gibt keinen Grund,
warum sie korrupter sein sollten als Richter in Wien oder Warschau.
Schließlich heißt es, skurrile Klagen vor schon bestehenden
Tribunalen würden zeigen, wie abstrus das System ist. Chevron könnte
Schadenersatz verlangen, obwohl es horrende Umweltzerstörung
hinterlassen hat. Aber die Qualität eines Rechtssystems lässt sich
nicht an Klagen messen, sondern an den Urteilen. Wenn morgen zehn
Österreicher von der Regierung wegen Schlechtwetters Schadenersatz
verlangen, heißt dies nicht, dass der heimische Rechtsstaat
gescheitert ist. Richtig ist, dass die Schiedsgerichte reformiert
gehören: Die Prozesse müssen öffentlich sein, Berufungsmöglichkeiten
müssen ausgebaut werden. Doch Panikmache ist fehl am Platz. Richtig
gemacht könnten die Gerichte die Rechtssicherheit erhöhen und dafür
sorgen, dass Investoren in Länder gelockt werden, wo sie sich sonst
nie hintrauen würden.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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