Auf ein knappes Wahlergebnis folgt eine schwache
Regierung. Wer auf ein Zusammenrücken der griechischen Politiker in
der tiefsten Krise des Landes gehofft hat, ist einmal mehr enttäuscht
worden. Fehlender Mut und parteiische Hintergedanken zeichnen das
neue Kabinett in Athen aus, das am Mittwoch in Etappen zusammengebaut
wurde.
Nea Dimokratia, Pasok und die Demokratische Linke traten an, um ein
Bündnis mit solider Mehrheit zu bilden, das Griechenland im Euro
halten soll. Allein war das dem Wahlsieger Antonis Samaras nicht
möglich. Heraus kam eine „Dreierkoalition light“, eine Art
Minderheitsregierung mit Vertrauensmännern.
Die Pasok-Sozialisten waren – unter dem Druck ihres Parteichefs –
nicht bereit, Ministerposten zu übernehmen; die Linkssozialisten der
kleinen Partei von Fotis Kouvelis hatten sich auf dieselbe Taktik
festgelegt. Beide stützen parteinahe Figuren in der Regierung, und
läuft es schief, waren sie nicht schuld. Selbst führenden
Pasok-Politikern erscheint eine solche Konstruktion lächerlich.
Weil dem so ist, gibt es eine zweite Idee: Die „big boys“ von Pasok,
Demokratischer Linke und Nea Dimokratia sind in einem Team vertreten,
das irgendwie parallel zur Regierung operiert und mit der Troika die
neuen Bedingungen für die Rettungskredite und das Sparprogramm
aushandeln will. Kompliziert? Die Europäer können sich auf eine
chaotische Zeit mit der neuen Regierung in Athen einstellen.
Die so unendlich langwierigen Gedanken der griechischen Politiker
sind eine Folge der doppelten Krise, in der das Land steckt:
Staatsbankrott und Rezession auf der einen, Kollaps und Revolution
des Parteiensystems auf der anderen Seite.
Die ehemals große Regierungspartei Pasok hat für die Unterschrift
unter die Sparprogramme bitter bezahlt, drei Viertel ihrer Wähler
verloren, ihren Partei- und Regierungschef Giorgos Papandreou
geopfert und ist so überschuldet, dass sie ihre Organisation kaum
aufrechtzuerhalten vermag. Und dennoch wird von den Sozialisten
verlangt, dass sie ein weiteres Mal in die Regierung gehen und den
Sparkurs fortsetzen, gegen den das Volk rebelliert.
Evangelos Venizelos, der Chef der Pasok, war dazu nicht bereit. Die
Zukunft der Partei wollte er nicht weiter kompromittieren. So glaubt
er zumindest. Antipathien kommen dazu. Mit der halbherzigen
Unterstützung des neuen Kabinetts macht Venizelos genau das, was er
von Antonis Samaras zuvor erdulden musste: Als auf einem neuen
Höhepunkt der Schuldenkrise im Vorjahr die Übergangsregierung des
Technokraten Lukas Papademos gebildet wurde, konnte Samaras gar nicht
weit genug von dieser „Koalition der nationalen Rettung“ stehen.
Seine Regierung steht auf wackeligen Füßen. Bricht die Wirtschaft
weiter ein und wächst das Heer der Arbeitslosen, wird erst die
Demokratische Linke ihre Unterstützung entziehen, dann die Pasok.
Die Idee von der Neuverhandlung der Kreditbedingungen und einer
reuigen Besinnung der Europäer hat in Athen so große Dimensionen
angenommen, dass das Ergebnis nur enttäuschen wird. Scheitert Samaras
aber, steht die linksradikale Opposition bereit. Sie will das Risiko
eines ungeordneten Bankrott des Landes dieser Regierung umhängen.
Zumindest die Wähler haben das begriffen.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen