Es ist die Stunde der Schadensbegrenzung. Nach dem
Nato-Angriff auf zwei pakistanische Militärposten versuchen
US-Politiker in aller Eile, die Wogen zu glätten. Hillary Clinton und
Leon Panetta, die Außenministerin und der Verteidigungsminister,
setzten hastig ein Kondolenzschreiben auf. Im Weißen Haus tagt der
Krisenstab, um zu verhindern, dass die Lage außer Kontrolle gerät. Es
ist der Tiefpunkt einer alten Partnerschaft, bei der allmählich alles
auf eine Trennung zuzulaufen scheint.
Es ist erst zehn Jahre her, da avancierte Pakistan zum
Schlüsselverbündeten im „Krieg gegen den Terror“. Pervez Musharraf,
damals Präsident, wurde so heftig umgarnt wie sonst nur Hamid Karsai,
sein afghanischer Kollege. Musharraf ließ die Amerikaner Stützpunkte
nutzen und Jagd auf Mitglieder der Al-Kaida machen. Im Gegenzug
drängte George W. Bush den General nicht weiter darauf, den
afghanischen Taliban und ihren pakistanischen Gastgebern die
Unterstützung zu entziehen. Was nicht ins Bild vom Schulterschluss
passte, wurde unter den Teppich gekehrt.
Heute spricht zumindest in Washington niemand mehr von einer Allianz.
Im Gegenteil, es mangelt nicht an Senatoren, die ohne Umschweife von
einem offenen Konflikt reden. Forsche Republikaner wie Lindsey Graham
empfehlen sogar Militärschläge auf pakistanische Ziele, die
US-Interessen bedrohen. Was im Kongress irritiert, sind die
stillschweigenden Bündnisse Islamabads mit islamistischen Gruppen,
die ihrerseits US-Soldaten in Afghanistan attackieren. Allianzen, die
deutlich machen, warum sich beide Scheinpartner auf Kollisionskurs
befinden.
Pakistan sieht in den Taliban und Ablegern wie dem Haqqani-Netzwerk
nützliche Hilfstruppen, unverzichtbar im größeren Gefüge des Ringens
mit dem Erzrivalen Indien. Dahinter steht die Furcht, die Inder
könnten einen Pakt mit Afghanistan und damit die Einkreisung
Pakistans anstreben. Indem sie genau dies verhindern, verteidigen die
Taliban und die Haqqanis am Hindukusch pakistanische Interessen. Was
wiederum die Amerikaner in Rage bringt.
Im Mai war es bereits der Zank nach der Tötung Osama Bin Ladens, der
schlaglichtartig offenbarte, welch tiefe Risse sich hinter der
Fassade verbergen. Schon damals wollte am Potomac niemand recht
glauben, dass der Terrorpate in Abbottabad Unterschlupf fand, ohne
dass führende Militärs und Geheimdienstler eingeweiht waren.
Fast klingt das wie eine Ironie der Geschichte. Schon in der
Anfangsphase des Kalten Krieges setzte das Weiße Haus ganz auf
Pakistan, zumal sich Indien eher der Sowjetunion zuwandte. Als dann
sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschierten, war es erneut das
Lagerdenken der Blockkonfrontation, das US-Entscheidungen bestimmte.
Mit Finanzspritzen bei Laune gehalten, avancierte der pakistanische
Geheimdienst ISI zu einer Art Mittelsmann, der den Widerstand
afghanischer Glaubenskämpfer organisierte.
Dreißig Jahre später machen ernüchternde Erkenntnisse die Runde,
abgesehen davon, dass Al-Kaida auf jenem Nährboden entstand. Nach
Recherchen des Magazins The New Yorker floss die Hälfte des Geldes,
das der ISI in den Achtzigern aus den USA kassierte, in die
Entwicklung der pakistanischen Atombombe. Und A. Q. Khan, der Vater
der Bombe, sollte später Skizzen und Bauteile an Iran, Libyen,
Nordkorea verkaufen. Noch so ein Fall, wie ironisch Geschichte sein
kann.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen