Den Gott in Weiß gibt es nicht mehr: Der Arzt, der
zwischen Operationssaal, Golfplatz und Capri tingelt, ist nichts als
Klischee, das mit dem Arztberuf wenig gemein hat. Die Realität sieht
anders aus: lange Arbeitszeiten, Nacht- und Wochenenddienste,
übervolle Ambulanzen und Wartezimmer. Ärzte, die sich mit
Routinetätigkeiten herumschlagen müssen und mehr Zeit mit
Zettelwirtschaft als mit Patienten verbringen: Sie sind übermüdet und
überarbeitet. Die Patienten haben Besseres verdient; die Ärzte auch.
Der Berufsstand der Götter ist zu einem Berufsstand der
Ausgebrannten geworden. Das System krankt und macht Ärzte krank. Aber
nicht die unbefriedigenden Arbeitsbedingungen haben zu einem Umdenken
und in der Folge zum neuen, am Donnerstag beschlossenen
Ärzteausbildungsgesetz geführt, sondern der Mangel an Arbeitskräften.
Der Aufstand gegen das System ging von den Jungärzten aus. Bis zu
einem Drittel gehen ins Ausland. Weil es jahrelang ein Überangebot an
Turnusärzten gab, wurden die „Frischgefangten“ als Systemerhalter in
den Krankenhäusern eingesetzt. Der Fokus lag weniger auf der
Ausbildung, sondern auf Blutabnahmen und Infusionen. Das System
drohte zu kollabieren. Erst als ein Engpass entstand und die
„Deppenarbeit“ liegenblieb, wurde reagiert. Nun soll wieder die
Ausbildung der Jungärzte im Zentrum stehen, um sie im Land zu halten.
Neun Monate Basisausbildung statt drei Jahren Turnus, dann ein halbes
Jahr Lehrpraxis. Erst danach beginnt die Facharztausbildung.
Wirklich ausgereift ist das neue Ausbildungsgesetz aber nicht. Die
Lehrpraxis bei einem Allgemeinmediziner, die die Jungärzte auf den
Praxisalltag vorbereiten soll, ist mit sechs Monaten zu kurz, sagen
Kritiker – und noch nicht einmal finanziert, räumt auch
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser ein. Nach Ausbildungspraxen
wird händeringend gesucht, Anreize für die Mediziner gibt es bisher
aber kaum. Der ausbildende Arzt musste bisher dafür sorgen, dass der
Auszubildende angemessen bezahlt wird. Ob das so bleibt, ist trotz
Gesetzesbeschluss noch unklar.
Im Krankenhaus gibt es aber noch eine andere Baustelle: die
Ärztearbeitszeit. Seit einem guten Jahrzehnt kritisiert die EU die
geltenden Arbeitszeiten in Österreich, ein
Vertragsverletzungsverfahren drohte. Erst jetzt passiert das Gesetz
von Sozialminister Rudolf Hundstorfer das Parlament. Von 72
Wochenstunden wird schrittweise auf eine 48-Stunden-Woche reduziert.
Zur Erinnerung: Der durchschnittliche Österreicher arbeitet 38,5
Stunden pro Woche. Warum wurde das so lange in Kauf genommen? Weil
die Nacht- und Wochenenddienste auch ein finanzieller Anreiz waren.
Das Grundgehalt für Ärzte ist in Österreich verglichen mit anderen
EU-Ländern niedrig. Wird die Arbeitszeit gekürzt, sinkt auch der
Verdienst. Zu Recht fordern die Ärzte einen Ausgleich für den
Lohnentfall. Wer will plötzlich ein Drittel weniger verdienen?
In der Steiermark wurde der Forderung nachgegeben. Zunächst
übernimmt das Land – wo eingespart wird, ist nicht bekannt. Auch hier
lautet die zentrale Frage: Wer soll das bezahlen? Das ist das
Grundproblem der heimischen Gesundheitspolitik. Wie auch bei der
Lehrpraxis oder bei der Gratiszahnspange gilt: Gesetz beschlossen, zu
Ende gedacht ist es nicht.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
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