Wir haben die katastrophalen Folgen der Ebola-Seuche
unterschätzt“, sagte Frank-Walter Steinmeier der Bild-Zeitung. Gut,
wenn ein deutscher Außenminister so etwas einmal offen einräumt.
Es fällt auch politisch Kurzsichtigen inzwischen auf, wie sehr
sein Land seit Jahren katastrophal danebenliegt, wenn es um das
Erkennen realer und strategischer europäischer Probleme geht – und um
Lösungen. Das war so bei der Eskalation der Lage in Syrien im
Frühjahr 2013 und wiederholt sich jetzt im Irak, bei den daraus
wachsenden Strömen von Millionen Flüchtlingen oder der Gefahr des
Überschwappens islamistischer Terroranwerber auf EU-Staaten. Die
Regierung von Angela Merkel war stets auf der Bremserseite oder hat –
noch schlimmer – jenen EU-Partnern, die gemeinsam handeln wollten,
Belehrungen erteilt.
Selber ist das Land, was militärische und geheimdienstliche
Fähigkeiten betrifft, eine Schwachstelle im Bündnis. Nun besteht
Gefahr des Zusammenbruchs großer Volkswirtschaften in der Union, weil
alle gleichzeitig wie verrückt aufs Sparen fixiert sind,
Investitionen ausbleiben, bei 26 Millionen Arbeitslosen in Europa,
ein Viertel davon Junge. Die USA, der Währungsfonds, die halbe Welt
sorgt sich um das globale Wachstum, auch weil die Eurozone dauerhaft
stagniert.
Aber Berlin übt sich in selbstgefälliger Schulmeisterei gegenüber
dem künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Der schlug
ein riesiges Ankurbelungsprogramm für den Binnenmarkt vor.
Und es gibt die Konflikte in der Nachbarschaft, die Eskalation in
der Ukraine, den Streit mit Russland, tausende Boat-People aus
Nordafrika – aber die Kanzlerin macht nur das, was sie seit zehn
Jahren tut: politisch auf Sicht fahren. Sie setzt ganz auf ein
nationales deutsches Zufriedenheitsprogramm, ohne jegliche über den
Tag hinausgehende Vision, wie sie sich eine bessere Zukunft als
Ganzes vorstellt.
Die EU braucht genau das: einen gröberen Reformschub, den
Fertigbau dutzender Baustellen in der gemeinsamen Gesetzgebung, viel
mehr transnationale Kooperation der Staaten.
Flankiert wird das Ganze von säuerlichen Dauerkommentaren
währungspolitischer Ayatollahs in Deutschland, die auch 2014 noch
immer in ihren Elfenbeintürmen der D-Mark der 1980er-Jahre leben; die
so tun, als wäre der Euro eine bösartige Erfindung der Gegner. Das
Gegenteil ist Fall. Die Währungsunion geht auf die Initiative der
deutschen Regierung von 1987 zurück. Die Vorteile des Binnenmarkts,
der offenen Grenzen und des gemeinsamen Geldes haben vor allem ein
Land reich gemacht: Deutschland.
Jetzt, wenn es ernste Schwierigkeiten gibt, soll es sich
zurückziehen? Der Rat der Wirtschaftsweisen hat vorgerechnet, was das
bedeuten würde: gigantische Verluste für die Deutschen. So wird es
also nicht gehen. Es ist hoch an der Zeit, dass in die EU endlich
wieder investiert wird, nicht nur mit Geld, sondern mit intelligenter
gemeinsamer Politik; mit Esprit, wie die krisengebeutelten Franzosen
sagen würden, was Ausdruck einer Lebenshaltung ist.
Das Antreten der neuen EU-Kommission bietet dazu eine Chance.
Juncker hat sich viel vorgenommen, will hunderte Milliarden Euro für
die Realwirtschaft mobilisieren. Frau Merkel sollte die Erste sein,
die seine Arbeit demonstrativ unterstützt. Diese Woche wird der
kleinliche Streit um EU-Kommissare, von denen es ohnehin zu viele
gibt, hoffentlich beendet werden. Die Union hat keine Zeit zu
verlieren.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS – WWW.OTS.AT ***
Sie muessen eingeloggt sein um einen Kommentar zu schreiben Einloggen