DER STANDARD-Kommentar: „Es ist nur noch tragisch“ von Alexandra Föderl-Schmid

Thomas Bernhard kann sich bestätigt fühlen:
„Österreich selbst ist nichts als eine Bühne“ und das Land eine
„Weltkomödie“. Das zeigt sich an diesem Wochenende, wenn
Bundeskanzler Werner Faymann mit Conchita Wurst auftritt. Sollte er
das sogar auf dem berühmten Balkon tun, werden die Erinnerungen an
Bruno Kreiskys Inszenierung mit Karl Schranz wach. Ein paar schöne
Fernsehbilder wird es geben, denn der ORF überträgt dieses Ereignis
live und wird es auch in die Welt hinaustragen – dass sich dann die
Kunde vom toleranten Österreich mithilfe der Dragqueen weiter
verbreite und vermehre.

Die Realität sieht anders aus, auch die Toleranz hält sich in
Grenzen. Homosexuelle haben kein Adoptionsrecht und nicht die
gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepartner. Österreich befindet
sich im EU-Vergleich bei der rechtlichen Gleichstellung am Ende der
Skala und noch nicht auf westeuropäischem Standard. Über dem
EU-Durchschnitt scheint Österreich jedoch bei einer Studie über
Homophobie auf, für die Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle gefragt
wurden, ob sie sich in den vergangenen zwölf Monaten diskriminiert
fühlten.

Aber davon lässt man sich doch im Windschatten des Burgtheaters
nicht die Inszenierung auf politischer Bühne verderben. Dort
dominiert ohnehin der Schein das Sein, Man kommt sich tatsächlich wie
in einer schlechten Komödie vor, wenn man Auftritte von
Spitzenpolitikern in diesen Tagen verfolgt.

Da beklagt Vizekanzler Michael Spindelegger bei jeder Gelegenheit
den Schuldenberg. Dazu kommt aber auch noch eine rekordverdächtig
hohe Steuer- und Abgabenquote sowie die kalte Progression – für all
das ist die Politik verantwortlich. Gleichzeitig werden
Steuersenkungen versprochen, denn es „findet sich kein Anreiz zum
Arbeiten mehr“. Was gilt nun? Was ist Wunsch, was ist Wirklichkeit?
In einem Brief an die EU-Kommission verspricht Spindelegger gleich
eine Milliarde Euro mehr an Einsparungen und Einnahmen. Dass er dabei
auch Zusagen wie eine Strafzahlung für Steuersünder macht, über die
er die Öffentlichkeit in Österreich noch gar nicht informiert hat,
ist das eine. Realpolitisch schwieriger dürfte es mit der Umsetzung
des Versprechens werden, Doppelförderungen abzuschaffen. Darüber muss
er erst mit den Bundesländern noch einmal verhandeln – und es ist
schon einmal gescheitert. Sind das Scheinzusagen, die an der
österreichischen Realität scheitern? Was gilt?

In seiner „Österreich-Rede“ versprach Spindelegger am Donnerstag
Strukturreformen. Das ist genauso realistisch wie die im Wahlkampf
angekündigte Entfesselung der Wirtschaft.

SPÖ und ÖVP haben auch eine Reform des ORF-Stiftungsrates
versprochen: ein kleineres Gremium, mit Experten besetzt.
Herausgekommen ist nun, dass die SPÖ die Vorsitzende abgelöst und
einen Ex-Nationalrat hingesetzt hat. Und jetzt teilt der Kanzler mit,
das Gremium soll sich selbst verkleinern. So wie die Bundesländer in
der Realität mit dem Wunsch des Vizekanzlers bei den Förderungen
verfahren werden.

Wunsch und Wirklichkeit, Schein und Sein klaffen in Österreich
auseinander. „Sie glauben uns nichts mehr, und sie haben schon
recht.“ Das sagte nicht Thomas Bernhard, sondern Spindelegger in
seiner „Österreich-Rede“ über die Bürger. Das ist nicht mehr lustig,
sondern in Wirklichkeit nur noch tragisch.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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