„DER STANDARD“-Kommentar: „Die lange Bank, ein Symbolmöbel“ von Conrad Seidl

Es hätte eigentlich ein erfreulicher Abschluss der
Tätigkeit der alten und eine Erleichterung der Arbeit der neuen
Regierung werden sollen: Als man sich am Sonntagabend mit der
Beamtengewerkschaft zusammengesetzt hatte, waren Bundeskanzler und
Vizekanzler selber angetreten, um als oberste Dienstgeber einen neuen
Gehaltsabschluss mit der Gewerkschaft auszuhandeln. Aber der Karren
war schon so verfahren, dass er nicht einmal dadurch wieder flott
wurde, dass die Regierungsspitze in die Speichen gegriffen hat.

Dabei haben die neuen alten Koalitionäre durchaus ein kräftig
nachgebessertes Angebot mitgebracht: 1,7 Prozent sind deutlich mehr,
als man noch zehn Tage davor als das Maximum bekanntgegeben hatte.
Dazu kommt: In der Zwischenzeit steht das Koalitionsabkommen – und
damit die Grundzüge der nächsten beiden Budgets. Weil die Gehälter
der öffentlich Bediensteten einen wesentlichen Einfluss auf die
Ausgaben des Bundes (und wegen der gemeinsamen Verhandlungen auch auf
die von Ländern und Gemeinden) haben, ist der Spielraum gering. Das
ist den Dienstgebern ebenso bewusst wie der Gewerkschaft.

Aber die Gewerkschaft, die der von der Wirtschaftskrise
gebeutelten Regierung seinerzeit eine Nulllohnrunde zugestanden
hatte, braucht nun einen herzeigbaren Erfolg. Ihr Chef Fritz
Neugebauer hätte für SPÖ und ÖVP schon im Frühjahr einen Weg
aufgezeigt: Man hätte lange vor der Wahl verhandeln können und hätte
damit Planungssicherheit gehabt. Die Koalition traute sich nicht. So
verspielte sie die Möglichkeit, in den Koalitionsverhandlungen
radikalere Reformpläne für den öffentlichen Dienst anzugehen. Zwar
steht im Regierungsprogramm an jeder sich bietenden Stelle, dass man
die Verwaltungsabläufe beschleunigen und unnötige Regelungen
abschaffen will.

Aber überall dort, wo es konkret werden sollte, wird darauf
verwiesen, dass man entsprechende Maßnahmen prüfen und
Verwaltungslasten senken will – und dass dafür „Anfang 2014“ eine
Kommission eingesetzt werden soll. Diese soll sich gleich auch mit
dem neuen Beamtendienstrecht befassen, das inzwischen schon mehrere
Regierungen als vorläufig unfinanzierbar aufgeschoben haben – denn
ein modernes Dienstrecht für den öffentlichen Dienst würde höhere
Einstiegsgehälter und niedrigere Spitzengehälter bedeuten, was zwar
langfristig Einsparungen bringt, aber kurzfristig Zuschussbedarf hat.

Also liegt das Projekt auf der langen Bank. Und auf diesem
Symbolmöbel der Republik liegen auch: die notwendige Aufgabenkritik
(muss der Staat all das machen, was er macht?) und die Entflechtung
der Verwaltungsstrukturen (muss der Staat all das, was er macht, auch
noch doppelt oder gar neunfach machen?). Immerhin haben die
Koalitionsverhandler erkannt, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Was sie noch nicht erkannt haben: Sie brauchen den politischen
Willen zur Neustrukturierung ebenso wie sie die Beamten und
Vertragsbediensteten brauchen, die die Reformen dann auch umsetzen
müssen. In der Beamtenschaft und in der Gewerkschaft gibt es die
Expertise, welche Regelungen man ganz rasch abschaffen kann. Wenn
sich die Regierung dazu entschließen könnte, das partnerschaftlich
anzugehen, könnte sie sogar so etwas wie ein Reformklima erzeugen. So
aber zeigt sie nur, dass sie nicht einmal pragmatische Lösungen wie
einen Gehaltsabschluss schafft.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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