DER STANDARD-Kommentar: „Der Jubel-Papst und seine Grenzen“ von Markus Rohrhofer

Da hat man dieser Tage in den Pfarrhöfen der
katholischen Welt schon den Messwein eingekühlt, und dann bricht
plötzlich der eigentliche Feiergrund weg. Die mit Spannung erwartete
Vorstellung der Ergebnisse von zwei Wochen voller Diskussionen um
heikle Themen für die katholische Kirche hat die Basis knallhart auf
den Kirchenboden der Realität zurückgebracht. In den besonders
strittigen Punkten wie etwa dem Umgang der katholischen Kirche mit
Geschiedenen und der Haltung gegenüber Homosexuellen ist auch nach
der zweiwöchigen Klausur unter Chef-Aufsicht nichts weitergegangen.

Noch am vergangenen Montag hatte ein Zwischenbericht Aufsehen
erregt, in dem es hieß, Homosexuelle könnten die Kirche mit ihren
„Gaben und Eigenschaften“ bereichern. Übereilt wurde dies als neuer
Ton der Kirche gewertet. Doch schon am Samstag wurde schwulen und
lesbischen Katholiken die Nächstenliebe entzogen, das brisante Thema
im Vatikan nicht einmal mehr angesprochen.

Fairerweise muss man natürlich die Erfolgslatte für die
katholische Kirche entsprechend tief ansetzen. Die Bischöfe sind der
päpstlichen Einladung nachgekommen – dafür gab–s vom Heiligen Vater
persönlich auch Kekse in den Gesprächspausen. Und die Würdenträger
haben sich der Diskussion gestellt – auch wenn der konservative
Flügel letztlich den vatikanischen Haussegen wieder geraderichten
durfte. Rein personalpolitisch lässt sich die Synode damit als Erfolg
werten: Ausnahmsweise wurde bei Problemen nicht gleich Gott
angerufen, sondern intern und auf Augenhöhe debattiert.

Das Signal nach außen ist aber im Gegenzug fatal. Franziskus droht
jetzt an seiner Rolle als ungewöhnlich offener Papst, als einer, der
Reformen will, der „heiße“ Eisen anspricht und plötzlich Fragen zur
Befindlichkeit der Gläubigen hat, zu scheitern. Mit der weltweiten
Befragung des Kirchenvolkes als Basis für die Synode hat der Papst
zwar enorm an Sympathien gewonnen, die „Wünsch dir was“-Methode birgt
allerdings auch ein hohes Risiko.

Beim Kirchenvolk wurden Begehrlichkeiten geweckt, die es
irgendwann auch einmal zu stillen gilt. Wenn sich dann aber schon
beim ersten synodalen Versuch in Richtung Erneuerung die Mehrheit der
Bischöfe einer Öffnung der Kirche verschließt, ist die Enttäuschung
bei vielen Gläubigen unweigerlich groß. Und die Begeisterung für
Franziskus droht entsprechend rasch abzunehmen.

Deutlicher denn je zeigt das magere Ergebnis der Synode, dass das
Tempo des Papstes für beide Seiten zu hoch ist. Der konservative
Flügel ist jetzt erstmals fest auf die Reformbremse gestiegen. Die
Gefahr für Franziskus auf dem Weg hin zu einer neuen Kirche über
Prügel, wohl platziert aus Kurien-Kreisen, zu stolpern und letztlich
resigniert zu emeritieren, war wohl noch nie größer. Und es droht das
Volk aus purer Enttäuschung über unerfüllte Wünsche, die päpstlichen
Jubel-Chöre auszusetzen. Womit es auf dem Stuhl Petri ungemütlich und
einsam wird.

Dem anfänglichen Optimismus wird jetzt wohl unweigerlich eine
Phase des Pessimismus folgen. Doch dort darf das Kirchenvolk nicht
verharren, für einen Aufbruch muss der Realismus das Ziel sein. Und
der Papst wird letztendlich daran zu messen sein, ob er sich mit
einer Entscheidung gegen die Mehrheit der Synode stellt. Dann hätte
er die Gläubigen auf seiner Seite, die Kirchenleitung aber gegen
sich.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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