Lehrer geben ein prächtiges Feindbild ab. Es gibt
kaum jemanden, der sich in der Schulzeit nicht von irgendeinem
Exemplar drangsaliert gefühlt hat – und dann tut die
Standesvertretung auch noch alles dafür, die schlechten Erinnerungen
an selbstherrliche Zuchtmeister aufleben zu lassen. Früher die
Schüler, heute die Ministerin: Wer frech ist, bekommt das Rohrstaberl
auf die Finger. Oft genug ist es ein Ärgernis, wie Lehrervertreter in
der Bildungsdebatte auftreten. Jeden schüchternen Versuch, am
Uraltgefüge des Schulsystems zu rütteln, scheint die
christdemokratisch dominierte Gewerkschaft als Kriegserklärung
aufzufassen. Beispiel Arbeitszeit: Seit Jahren buhlt
Bildungsministerin Claudia Schmied um ein neues Dienstrecht, das
Lehrerinnen und Lehrer zu mehr Unterrichtsstunden in den Klassen
verpflichten soll – erreicht hat sie außer politischen Demütigungen
bislang nichts. Ringt sich die Regierung zumindest halbherzig dazu
durch, die dringend nötige Ganztagsschule auszubauen, genießt die
Lehrerschaft selbstverständlich ein Vetorecht. Da wedelt der Schwanz
mit dem Hund: Ziel der Schulpolitik sollte immer noch die optimale
Förderung der Kinder sein – und nicht, dass Lehrer möglichst schon
zum Mittagessen daheim sind. Doch es gibt auch eine andere Seite des
Pädagogendaseins. Neben den „Auspufflehrern“, die ihre ewig gleichen
Skripten herunterbeten und mit der Schulglocke fluchtartig das Weite
suchen, widmen sich Kollegen mit viel Einsatz ihrer Berufung – und
fühlen sich dennoch zunehmend ohnmächtig. Über die Ursachen kann man
lange streiten; Tatsache ist, dass Lehrer, vor allem in den
Hauptschulen der Ballungszentren, heute mit einer viel schwierigeren
Klientel zurande kommen müssen als früher. Schüler raufen mit der
fremden Sprache, schleppen psychische und soziale Probleme aus
überforderten Familien mit. Oft ist viel zwischenmenschliche
Feinarbeit nötig, ehe überhaupt an Unterricht zu denken ist. Ohne
Hilfe werden die Lehrer scheitern. Sollen die Pädagogen den neuen
Herausforderungen gewachsen sein, muss ihnen die Politik das nötige
Rüstzeug mitgeben. Die Reform der Lehrerausbildung, auf die sich die
Regierung nach einer – wie üblich – lähmend langen Vorlaufzeit
geeinigt hat, ist ein wichtiger Baustein, sofern ein Teil des
Projekts nicht noch am damit verlinkten Dienstrecht scheitert. Schade
nur, dass nicht gleich auch die Ausbildung für die Kindergärtnerinnen
auf neue Beine gestellt wird. Weitere Schritte sind überfällig.
Sollen Lehrer öfter in der Klasse stehen, müssen sie von
Verwaltungskram entlastet werden. Es braucht Sozialarbeiter,
Begleitlehrer und Schulpsychologen für das Krisenmanagement sowie
Büroplätze, die nicht an chinesische Fließbandfabriken gemahnen. Wer
Ellbogen an Ellbogen vor einem Quadratmeter Schreibtisch hocken muss,
wird sich um mehr Zeit in der Schule nicht reißen.
Regierungspolitiker verlangen zu Recht, dass sich die Lehrervertreter
bewegen und Partikularinteressen von anno dazumal für eine moderne
Schulreform opfern. Doch dafür müssen sie eine Gegenleistung bieten:
Bedingungen, die vernünftige Arbeit in einer immer komplizierteren
Schulwelt erst möglich machen. All das hat die Koalition auch
zugesichert, doch das stagnierende Budget löst das Versprechen der
„Bildungsoffensive“ nicht ein. Es ist zu befürchten, dass einmal mehr
gekleckert statt geklotzt wird.
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