Zum Stück:
DIE GEZEICHNETEN (2009) des Komponisten Bernd Thewes ist eine ca. 90-minütige Kammermusik für Flöte, Violoncello, Klavier und Akkordeon, entstanden 2008 im Auftrag von ZDF/arte als Filmmusik zu dem gleichnamigen, 1922 gedrehten Stummfilm des dänischen Regisseurs Carl Theodor Dreyer. Die Handlung steht vor dem Hintergrund der revolutionären Aktivitäten im russischen Zarenreich um 1905 und des im Verlauf des Filmes sich unerbittlich abzeichnenden Antisemitismus, der letztendlich in einem Pogrom endet.
Entsprechend den drei Welten des Filmes, dem ländlichen, orthodoxen Russland, der revolutionär gestimmten Jugend und des aufgeklärten großstädtischen Bürgertums, pendelt die Musik zwischen Zitaten jüdischer und russischer Volksmusik auf der einen Seite, einer „abstrakten“, von Melodie und periodischer Rhythmik befreiten Klangwelt auf der anderen Seite und einer „freitonal“ konzertanten Musik in der Mitte. So gleicht sich die Musik dem Konfliktstoff an, der durch die Personen, Handlungen und Bilder fluktuiert – sie bildet gewissermaßen das Gefäß, um diesen Stoff gedanklich nachvollziehen zu können.
Die heute höchst kontrovers diskutierte Vorstellung einer Integration durch Forderung nach Assimilation, die letztlich zur erzwungenen Verleugnung der eigenen Herkunft und Kultur führen kann, wird in von Bernd Thewes in seinem DIE GEZEICHNETEN beeindruckend thematisiert. Die Filmmusik weitet in diesem Fall den Blick und fördert eine nachdenkende Betrachtung.
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