Was kümmert es den Baum, wenn sich die Sau daran
reibt, was den Mond, wenn ihn die Wölfe anheulen? Der 82-jährigen
Kanadierin Alice Munro, einer begnadeten Erzählerin und feinsinnigen
Analytikerin von Mutter-Tochter-Konflikten, ist in Stockholm der
Nobelpreis für Literatur zuerkannt worden. Prompt regte sich im
fernen Deutschland eine Gefühlswallung, die man als hengstbissig
bezeichnen könnte. Oder als Fortsetzung der Ignoranz mit maskulinen
Mitteln. „Null – ich kenne sie nicht“, gab Romancier Martin Walser
(86) zu Protokoll, als er zur Ehrung der fast gleichaltrigen Kollegin
befragt wurde, die – ihm gleich – ihre Geschichten zumeist im
ländlichen und familiären Raum ansiedelt. Ähnlich verräterisch war
die Stellungnahme von Hellmuth Karasek, der nach dem Tode Marcel
Reich-Ranickis mancherorts leider (und irrtümlicherweise) als
Aushängeschild der deutschen Literaturkritik gehandelt wird. Alice
Munro sei die Lieblingsautorin seiner Frau, sprach Karasek, sie habe
ihm „ihre wunderbaren Kurzgeschichten immer empfohlen, aber ich habe
bis heute keine einzige gelesen“. Immerhin Kritiker Denis Scheck
(„Druckfrisch“) nannte die Kür Munros eine „sensationelle Wahl“. Zur
Ehrenrettung der professionellen Leser hierzulande reicht das kaum.
Alice Munro ist erst die 13. Frau, deren Werk in der 1901 beginnenden
Geschichte des Nobelpreises für Literatur belobigt wird. Blickt man
auf ihre Vorgängerinnen – zumal auf Elfriede Jelinek (2007) -, fällt
auf, dass diese in ihren poetischen Texten oft eben jene Männer
kritisieren, die kulturelle Hervorbringungen von Frauen schmähen,
ignorieren, kleinreden, als randständiges oder gar modisches Phänomen
abtun. In diesem Zusammenhang spricht auch und gerade der Umstand für
die Wahl der Alice Munro, dass sie in den Wettbüros nicht hoch
gehandelt wurde. Deren Kundschaft besteht nämlich nachweislich
mehrheitlich aus männlichen Zockern. Aus anmaßenden alten Herren wie
Martin Walser und Hellmuth Karasek, die zwar literarischen
Sachverstand haben mögen, sich aber durch ihre ebenso stumpfen wie
reaktionären Reaktionen auf eine verdiente Preisträgerin
disqualifizieren.
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