Neue OZ: Kommentar zu Kultur / Theater / Enke

Gefahr des Eigentors

Das Theater ist seit einigen Jahren dokumentarischer geworden, um
nah an unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit zu bleiben. Damit
verschafft es sich neue Brisanz, und neue Zuschauer. Doch der
Versuch, eher abstrakte kollektive Phänomene wie die Depression zu
personalisieren wie am Berliner Gorki Theater, berührt leicht die
Privatsphäre. Und im Fall des Torwarts Robert Enke und seiner Familie
Traumata, die nicht einfach zu Kunst verwurstet werden dürfen. Enkes
Witwe geht noch einen Schritt weiter und will die
„Kommerzialisierung“ der Tragödie verhindern. Recht hat sie: Wenn sie
den Einzelfall zulässt, stehen Tür und Tor dafür offen.

Es erstaunt, wie unsensibel ein so zeitgeistbewusster Dramatiker
wie Fritz Kater und die Bühne seines Alter Egos Armin Petras mit der
Problematik umgehen. Lassen sie es darauf ankommen, dass die Witwe
protestiert oder gar prozessiert, um sich Popularität und Skandal zu
sichern? Etwas mehr Empathie im Vorfeld stünde gerade Bühnen gut zu
Gesicht. Sonst müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, selbst
skrupellos das zu praktizieren, was sie ständig anprangern.

Christine Adam

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207

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