Das Fasten war in der christlichen Tradition nie das
Ziel, sondern immer der Weg. Er sollte zur Erleuchtung führen. Wer
auch immer am Aschermittwoch seine persönliche Fastenzeit begonnen
hat, wird bislang noch nicht viel davon verspüren. Fasten ist ja
längst von der religiösen Pflichtübung zum beinahe lustvoll
betriebenen Breitensport geworden, hinter dem ein gewisses Bedürfnis
der Reinigung, ja der Läuterung steht, an Körper wie Seele
gleichermaßen. Aber nicht nur die stetig zunehmende Zahl von
Vegetariern fragt sich heutzutage: Wie könnte ich denn auch mal
fasten? Auch die Protestanten, die Luther einst von der Fastenpflicht
befreite, wollen nicht länger abseits stehen; seit Jahren geben sie
sich unter dem Motto „Sieben Wochen ohne“ dem Verzicht hin – und in
diesem Jahr soll es „ohne falschen Ehrgeiz“ gehen. Man möchte
eigentlich glauben, dass dies für die meisten Protestanten keinen
großen Verzicht bedeutet. Denn beim klassischen Fasten wird ja nach
40 Tagen weitergemacht wie vorher. Aber vielleicht hofft man ja auf
die Einsicht, dass es auch ohne falschen Ehrgeiz geht. Das Problem
wird nur darin liegen, den falschen vom richtigen Ehrgeiz zu
unterscheiden. Wer das tun will, muss die Erleuchtung eigentlich
längst gehabt haben.
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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