Wir sollten Moodyx{2588}s und Standard &
Poorx{2588}s dankbar sein. Der rücksichtslose Druck der
Ratingagenturen auf die Bundesregierung brachte etwas in Gang, das
kaum noch möglich schien: Die rot-schwarze Koalitionsregierung, deren
Daseinssinn sich im Absichern und Ausschmücken ihrer Pfründe
erschöpfte, ist plötzlich aufgewacht und erhellt von bisher nicht
gekannten Gedanken wie „Sparen“ oder „Schulden abbauen“. Auch
Europa-therapeutische Gespräche von Kanzler Werner Faymann, die seine
deutsche Kollegin Angela Merkel mit ihm führte, zeigten Wirkung. Es
musste also ein massiver Druck von außen her, damit sich der
koalitionäre Betonblock langsam zu bewegen begann. Und plötzlich wird
auch über sündteure Infrastrukturprojekte wie Semmering-, Koralm-
oder Brenner-Basistunnel offen geredet. Das sind keine
Kinkerlitzchen. Das sind die größten Investitionsbrocken der
Republik, deren Finanzierung Österreich größte Probleme bereiten
könnte. Laut Rechnungshof wird der Bund für die derzeit geplanten
Projekte rund 60 Milliarden Euro zurückzahlen müssen. Das Ausmaß der
Gelder, die hier eingespart werden könnten, lassen andere
Einsparungspotenziale fast marginal erscheinen. Millionen wurden
aber bereits unwiederbringlich verbuddelt. Im alten, nie
verwirklichten Semmeringtunnel liegen gute 100 Millionen Euro
vergraben. Pro Jahr muss dort seit Jahren für das Abpumpen von Wasser
eine geschätzte halbe Million Euro aufgewendet werden. Nimmt man
alte Prognos-Studien als Basis, die seinerzeit den Bedarf bis 2000
oder 2010 berechnet hatten, stellt sich heraus, dass es am Semmering
nach wie vor freie Kapazitäten gibt. Trassen-Alternativen etwa durch
die Grazer Ostbahn und Raaberbahn, die gerade mit EU-Geldern
elektrifiziert wird, stellen auch verkehrstechnische Sinnhaftigkeit
infrage. Regionale Politiker sehen das natürlich völlig anders, ist
es ihnen doch gelungen, sogar in Brüssel Verbündete für die
Semmering-Verkehrsachse zu finden. Die EU zahlt aber im besten Fall
einen Bruchteil der Baukosten mit, für Österreich entscheidend sind
jedoch die Finanzierungs- und Betriebskosten – auch im Hinblick auf
die nächste Generation, der die Schulden übergeben werden. Beim
Koralmtunnel erinnert man sich:_Es war ein Geschenk an den
verstorbenen Paten der schwarz-blauen Regierung, Jörg Haider. Er
wollte dies, wie auch das sündteure Fußballstadion in Klagenfurt,
das jetzt keiner braucht. Mehr als eine Milliarde Euro wurde beim
Koralmprojekt bereits verbaut. Regionalpolitiker sagen, ein Baustopp
sei nicht mehr zu rechtfertigen. Doch angesichts der noch drohenden
Kosten greift das Argument nicht. Auch beim teuersten Projekt, dem
Brenner-Basistunnel – zehn Milliarden Euro – malt Verkehrsministerin
Doris Bures jetzt ein Fragezeichen auf. Denn ob Italien je mitzahlen
wird, ist völlig offen. Der neue Regierungschef Mario Monti hat
momentan andere Sorgen. Selbst wenn die Großprojekte
verkehrspolitisch Sinn ergeben mögen, muss die Regierung jetzt den
Mut aufbringen und laut „Stopp“ sagen. Aus. Es geht nicht. Kein Geld,
sorry. Vielleicht später. ÖBB-Chef Christian Kern stellte die
richtige Frage: „Wie viel Geld ist vorhanden?“ Die Frage kam leider
zu spät. Sie hätte von Regierungspolitikern schon vor Jahren gestellt
werden müssen – noch bevor sie mit glänzenden Augen Verträge für die
Prestigeprojekte unterschrieben.
Rückfragehinweis:
Der Standard
Tel.: (01) 531 70 DW 445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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