DER STANDARD-Kommentar: „Euro schwächt die starken Glieder“ von Andreas Schnauder

Betrübnis bis Empörung: So lassen sich die Reaktionen
auf die drohende Herabstufung der Euroländer zusammenfassen.
Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny verstieg sich sogar zu der
Behauptung, der Warnschuss von Standard & Poor–s sei politisch
motiviert. Das geht in Richtung jener Verschwörungstheorie, wonach
Ratingagenturen Handlanger Amerikas seien. Klingt gut. Doch es war
Standard & Poor–s, die den USA die Top-Bonitätsstufe AAA entzogen
hat. Vielleicht erklärt der OeNB-Gouverneur ja noch, welche andere
dunkle Macht dahintersteckt.
Die Einschätzungen der Ratingagenturen sind in Tat hinterfragenswert,
in den Olymp haben sie aber Regulatoren und Zentralbanken gehoben. Es
wird kein Wertpapier zu Besicherung von Notenbankkrediten angenommen,
das nicht mit einem Stempel einer der drei Risiko-Schätzer versehen
ist. Über die Investmentbranche wird diese Vorgabe potenziert,
schließlich will kaum eine Pensionskasse oder Lebensversicherung in
ihrer Veranlagungspolitik von der Methodik der Notenbanker abweichen.
So richtig traut sich die Union das Thema nicht anzupacken. Offenbar
gefällt sich die Politik besser in der Rolle, bei Sonntagsreden auf
die Agenturen einzudreschen. Bezeichnend dabei sind die
Reaktionszeiten. Die EU-Kommission benötigte nach dem Zusammenbruch
der Top-bewerteten Investmentbank Lehman Brothers exakt drei Jahre
und einen Monat, um einen Regulierungsvorschlag für die Branche zu
unterbreiten. Der bringt übrigens einige Verbesserungen bei Aufsicht
und Qualität der Ratingagenturen, am beschriebenen Kernproblem wird
er aber nicht viel ändern.
Trotz aller Fehlurteile, die Standard & Poor–s, Moody–s und Fitch in
den letzten Jahren gesprochen haben, sollten die Grundüberlegungen
hinter den erwogenen Downgrades nicht beiseitegewischt werden. Die
politischen Antworten auf die Probleme der Währungsunion erfolgten
ebenso zögerlich wie dürftig, wodurch die Eurokrise erheblich
beschleunigt wurde und die Realwirtschaft belastet wird. Die
einsetzende Rezession erschwert den notwendigen Schuldenabbau
erheblich, worunter auch die Qualität der Staatsanleihen leidet.
Und: Wer Gläubiger durch die Finger schauen lässt, wie im Falle
Griechenlands praktiziert, darf sich nicht wundern, dass der
Tabubruch auch andere Eurostaaten belastet. Das ändert freilich
nichts daran, dass der Schuldenschnitt allein schon aus prinzipiellen
Erwägungen richtig ist.
Und noch eine Lehre ist aus dem „Creditwatch“ zu ziehen: Die Finanzen
der solideren Staaten wie Deutschland werden durch den Einsatz für
die schwächeren Glieder immer stärker strapaziert. Das gibt auch
einen Vorgeschmack auf die immer populärer werdende „Fiskalunion“ der
Eurozone. Die damit verbundenen Transfers von – vereinfacht gesagt –
Norden nach Süden, werden schwer auf den Staaten mit gesunder
Haushaltspolitik lasten, den Anpassungsdruck der schwächeren Länder
reduzieren und somit die gesamte Währungsunion nach unten ziehen.
Mit dem Timing von S&P – der Warnschuss erfolgte knapp vor dem am
Donnerstag beginnenden EU-Gipfel – kann man es halten, wie man will.
Die Union sollte es als Anstoß für mutige Entscheidungen nehmen. Und
Österreichs Regierung wäre gut beraten, endlich Taten zu setzen,
anstatt der Opposition die Schuld am eigenen Reformstau zuzuschieben.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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