Neue OZ: Kommentar zu Archäologie

Vom Kaiser zum Kaiser–s?

Wo Otto III. sich vor tausend Jahren mit kaiserlichem Glanz umgab,
soll bald ein schnöder Supermarkt entstehen. Vielleicht, wer weiß, ja
sogar ein Kaiser–s. Auf den ersten Blick ist das ein herber Dämpfer.
Auf den zweiten Blick hat der scheinbar so banale
Selbstbedienungsladen im Zweifel eher mehr denn weniger Pracht zu
bieten als die einstigen Herrenhöfe: Salz, Gewürze oder auch Bücher,
das waren einmal unschätzbare Reichtümer. Der Supermarkt bietet auch
winters exotische Früchte. Der arme Otto wusste noch nicht mal, wie
eine Kartoffel aussieht. Die Muße des Kunden inmitten der Regale
hatte in Ottos verdichteter Biografie wohl auch keinen Platz: König
wurde er schon mit drei Jahren, mit 21 war er tot.

Der Supermarkt über dem Herrenhof, als Zufallsinstallation taugt
er zumindest, um die Relativität von Privilegien zu illustrieren.
Eins hat sich natürlich in tausend Jahren nicht geändert: Wo
Überfluss herrscht, gibt es auch Unterlegene. Zu Ottos Zeiten waren
das die ausgebeuteten Bauern vor Ort. Heute verteilt sich die
Ungleichheit über den ganzen Globus. Auch das wäre im Kaiser–s mal
einen Gedanken wert.

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

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