Es gärt und grummelt am Grünen Hügel. Das 
Rumoren kommt nicht aus dem Inneren der gewaltigen Biogasanlage im 
„Tannhäuser“, deren Sinn sich auch im vierten Aufführungsjahr nicht 
erschließen will. Es ist schlimmer: Die Festspiele drohen den Nimbus 
der Exklusivität zu verlieren, der Heilige Gral der Wagnerianer 
verliert an Glanz. Wochen vor dem Start soll es noch Karten gegeben 
haben. Der Schwarzmarkt ist zusammengebrochen. Die Kanzlerin kam 
nicht zur Eröffnungspremiere, bei der auch noch die Bühnentechnik 
streikte. Beim „Ring“ wollen Kritiker vereinzelt freie Plätze 
ausgemacht haben. Wotan, hilf! Das hat es noch nie gegeben. Zwar 
sinkt die Nachfrage nach Karten in Bayreuth seit Jahren, doch noch 
immer überstieg sie das Kartenkontingent locker um das Zehnfache. 
Jahr für Jahr wollten rund eine halbe Million Menschen einmal den 
unvergleichlichen Orchesterklang im Festspielhaus hören, die teuren 
Roben sehen, die lächerlich teure Hummerbratwurst kosten. Wartezeiten
von zehn Jahren waren nicht unüblich. Nach der Rüge des 
Bundesrechnungshofs mussten jedoch mehr Karten in den freien Verkauf 
gehen. Dem Geklüngel und Geschachere, das auch die jüngst verstorbene
Wagner-Urenkelin Iris heftig kritisiert hatte, wurde ein Riegel 
vorgeschoben. Für den Wagner-Clan wird es immer ungemütlicher in der 
oberfränkischen Trutzburg. Wie ein Drachen hütet er seit Jahrzehnten 
den Schatz des berühmten Ahnen. Doch Eva Wagner-Pasquier streicht 
Ende dieses Jahres die Segel. „Steuermann, lass– die Wacht“ mag man 
der verbleibenden Kapitänin Katharina Wagner nicht zurufen. Zur 
Partysause ist kein Anlass: Der neue „Ring“ wird aller Voraussicht 
nach nicht den erfolgreichen Weg des „Lohengrin“ und des „Fliegenden 
Holländers“ gehen. Diese beiden Opern wurden anfangs in Grund und 
Boden gebuht – in diesem Jahr aber vom versöhnten Publikum gefeiert. 
Der berüchtigte „Stücke-Zertrümmerer“ Frank Castorf hingegen wird 
wohl nicht mehr zum Helden der hochsensiblen Wagnerianer werden. Aber
sind gefloppte Regiestücke überhaupt der Grund für das sinkende 
Interesse? Katharina Wagner deutet es an. Sie wirft Frank Castorf 
vor, das Publikum zu verschrecken. Der wiederum fühlt sich von der 
künstlerischen Leitung wie ein „Idiot“ behandelt. Doch das ist alles 
typische Bayreuth-Folklore, kaum mehr als der Prolog eines 
alljährlichen Opernspektakels, das vom öffentlichen Wallen und Wogen 
der Emotionen ebenso lebt wie von seinen herausragenden Künstlern. 
Kirill Petrenko, Christian Thielemann, Andris Nelsons am 
Dirigentenpult, das fabelhafte Festspielorchester und der 
ausgezeichnete – zuletzt mit dem International Opera Award 2014 – , 
über 130 Stimmen starke Chor, viele herausragende Stimmen: Grund 
genug, warum es in diesem Jahr Wagner-Freunde aus aller Welt nach 
Bayreuth zieht. Wer eine Karte ergattert, muss für diese Perlen nicht
einmal ein Vermögen hinlegen. 240 Euro kostet ein guter Platz im 
Parkett. Zum Vergleich: Tickets der besten Kategorie für Udo Jürgens 
in der Donau-Arena kosten 100 Euro. Auch die Frage, ob man Wagner 
hören kann, ohne Antisemit zu sein, scheint allmählich geklärt. In 
Israel versucht eine Gruppe Musiker und Musikfreunde seit Jahren, 
Wagner im eigenen Land aufzuführen. 2011 spielte das israelische 
Kammerorchester in Bayreuth das „Siegfried“-Idyll. Man weiß: Die 
Lieblingsmusik des Zionisten Theodor Herzl war der „Tannhäuser“. Die 
Diskussion versachlicht und entspannt sich. Man muss den Grünen Hügel
nicht allein aus Political Correctness großräumig umfahren. 2015 wird
Katharina Wagner „Tristan und Isolde“ inszenieren. Der Künstler 
Jonathan Meese, stets für einen Skandal gut, wurde für den „Parsifal“
2016 engagiert. Und für die „Meistersinger“ 2018 hat Katharina Wagner
Barrie Kosky verpflichtet, dessen Komische Oper Berlin zum Opernhaus 
des Jahres 2012/2013 gewählt wurde. Für künftige Buh-Konzerte und 
Beifallsstürme scheint auf Jahre gesorgt. Und es wird sich zeigen, 
worauf der Nimbus Bayreuths gründete: auf Elitarismus oder 
künstlerischer Klasse.
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